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Inhalt Einleitung I. Spektroskopie II. Beugung III. Bildgebung IV. Sonstige Methoden
Vorlesung: Methoden der Anorganischen Chemie

II. Beugungsmethoden

2. Grundlagen der Kristallographie


Unterkapitel


Vorlage(n)


1. Einteilung der Festkörper, Kristallklassen

Festkörper können nach ihrer Symmetrie klassifiziert werden: Alles im Folgenden beschriebene gilt nur für kristalline Festkörper mit dreidimensional-periodischer Struktur.

Bei vielen (frei gewachsenen) Kristallen ist bereits makroskopisch eine Symmetrie erkennbar, sie können nach Punktgruppen oder Kristallklassen eingruppiert werden. Die Bestimmung der Kristallgeometrie durch Vermessung der Flächenwinkel usw. nennen die Kristallographen Goniometrie. Die Kristallklassen und ihre Bestimmung entsprechen exakt der Bestimmung der Punktgruppen von Molekülen. So gehört z.B. das Molekül des Komplexes Re2(CO)10 zur gleichen Punktgruppe wie die Kristalle von Rutil.

Bereits seit dem 18 Jahrhundert, d.h. vor der Entdeckung der Beugung von Röntgengstrahlen, waren bereits die folgenden sog. Kristallographischen Gesetze bekannt:

  1. Freiwachsende Kristalle, die zum selben Idealkristall gehören, besitzen einen charakteristischen Satz von Normalenwinkeln (Gesetz der Winkelkonstanz).
  2. Jeder Kristallfläche läßt sich ein Millerindex (hkl) zuordnen.
  3. In Kristallen sind nur Symmetrieachsen der Zähligkeit 1, 2, 3, 4 und 6 möglich.
Als Basis-Symmetrieelemente sind wegen der Translationssymmetire nur die acht Punktsymmetrieoperationen vorhanden. Die zugehörigen Punktgruppen, die hier Kristallklassen genannt werden, sind die 32 möglichen Kombinationen (kristallographische Punktgruppen = Kristallklassen). Wie bei der Symmetrie der Moleküle gehört zu jeder Punktgruppe ein Satz von Symmetrieoperationen, die bei gut ausgebildeten Kristallen makroskopisch erkennbar werden, so dass häufig die Zuordnung zu einer Kristallklasse gelingt.
Die Punktgruppen/Kristallkassen haben damit in der Kristallographie verschiedene Bedeutungen/Anwendungebereiche:

Tab. II.2.1. Dreidimensionale Punktgruppen, die mit der Translation vereinbar sind (Kristallklassen), inkl. angepaßter Koordinatensysteme (Kristallsysteme).
Nr. Hermann-Mauguin- Schönflies-NameKristallsystem
Kurz-Symbol Lang-SymbolSymbol (Grothe-Bezeichnung)
11 1 C1 triklin-pedialtriklin (keine ausgezeichnete Richtung): a, b, c beliebig; α, β, γ, beliebig
2 Citriklin-pinakoidal
3m 1m1 Csmonoklin-domatisch monoklin (eine ausgezeichnete Richtung, die üblicherweise als b-Richtung gewählt wird): ab, γ beliebig
42 121 C2monoklin-sphenoidisch
52/m12/m1 C2hmonoklin-prismatisch
6mm2 mm2 C2vrhombisch pyramidal orthorhombisch: abc; α=β=γ=90o
7222 222 D2rhombisch-dispheniodisch
8mmm2/m 2/m 2/m D2hrhombisch-dipyramidal
94 411 C4 tetragonal-pyramidaltetragonal: a=bc, α=β=γ=90o
10 S4tetragonal-disphenoidisch
114/m4/m C4htetragonal-dipyramidal
124mm 4mm S4ditetragonal-pyramidal
134̅2m4̅2m C4htetragonal-skalenoedrisch
14422 422 S4tetragonal-trapezoedrisch
154/mmm4/m 2/m 2/m D4hditetragonal-dipyramidal
163 3 C3trigonal-pyramidal trigonal, (hexagonale Achsen): a=b≠c, α=β=90o
17 S6rhomboedrisch
183m13m1 C3vditrigonal-pyramidal
19321 321 D3ditrigonal-trapezoedrisch
20m13̅ 2/m 1 D3dditrigonal-skalenoedrisch
216 6 C6hexagonal-pyramidal hexagonal: a=b≠c; α=β=90o, γ=120o
22 C3htrigonal-dipyramidal
236/m6/m C6vhexagonal-dipyramidal
24m2m2 D3hditrigonal-dipyramidal
256mm 6mm C6vdihexagonal-pyramidal
26622622 D6hexagonal-trapezoedrisch
276/mmm6/m 2/m 2/m D6hdihexagonal-dipyramidal
2823 23 Ttetraedrisch-pentagondodekaedrisch kubisch: a=b=c, α=β=γ=90o
29m 2/m Thdisdodekaedrisch
304̅3m4̅3m Tdhexakistetraedrisch
31432432 Opentagonikositetraedrisch
32mm 4/m 3̅ 2/m Ohhexakisoktaedrisch

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2. Translation als Symmetrieoperation

Bei den bisherigen Symmetriebetrachtungen wurde stets mindestens ein Punkt (der Schwerpunkt) des Objektes (Kristall oder Molekül) fix gehalten (daher die Bezeichnung Punkt-Symmetrie). In Kristallen kommen jetzt als neue Symmetrieoperationen (unendlich viele!) Verschiebungen in ein-, zwei- oder drei Richtungen hinzu, die ja bekanntlich die periodischen Strukturen ausmachen. Durch diese Translationssymmetrie bleibt kein konstanter Punkt mehr bestehen. Diese Art von Symmetrie erleichtert ganz entscheidend die Beschreibung periodischer Strukturen wie z.B. von Bändern (1-dimensionale Translation), Flächenmustern (2-dimensionale Translation) und Kristallstrukturen (3-dimensionale Translation).
Abb. II.2.1. Translation als Symmetrieoperation ‣ SVG
Als Beispiele sind in Abbildung II.2.1. 1-, 2- und 3-dimensional periodische Muster gezeigt. Als sog. Motiv wurde ein Dreieck ohne Eigensymmetrie (auf allgemeiner Punktlage) gewählt. Das Gitter ist dann die 'Vorschrift', wie die Motive angeordnet werden. Das Translations-Gitter wird im eindimensionalen Fall durch einen Vektor mit einer bestimmten Länge und Richtung, im zwei- und dreidimensionalen Fall durch Vektoren mit 2 bzw. 3 Komponenten beschrieben. Diese Vektoren können auf verschiedene Weisen gewählt werden (s.u.). Das Parallelepiped der Gittervektoren bildet eine Elementarzelle der Struktur.
Die Beschreibung der Gesamtanordnung, der Kristallstruktur, erfolgt demnach also nach dem Prinzip:
Struktur = Gitter + Motiv
wobei: Die kleinste Einheit, die durch reine Verschiebung (!) die Gesamtstruktur ergibt ist die sogenannte primitive Elementarzelle. Ihre Größe ist für eine bestimmte Struktur immer identisch, auch wenn sie z.B. beliebig verschiebbar ist (s. die verschiedenen, in Abbildung II.2.2. eingezeichneten Elementarzellen).
Abb. II.2.2. 2D-Gitter mit verschiedenen Elementarzellen. Die grüne Elementarzelle ist zentriert und enthät zwei Gitterpunkte ‣ SVG
Die primitive Elementarzelle enthält genau einen Gitterpunkt. Als Symbol für diese Translationssymmetrie wird p (für zweidimensionale Translationssymmetrie) bzw. P (für dreidimensionale Translationssymmetrie) verwendet. Ist die reine Translationssymmetrie die einzige Symmetrie, dann enthält die primitive Elementarzelle ein Motiv. Bei symmetrischen Motiven wird die Symmetrie innerhalb des Motivs bzw. der Elementarzelle durch Angabe der sog. Raumgruppensymmetrie berücksichtigt. Die asymmetrische Einheit des Motivs ergibt dann gemeinsam mit der Raumgruppe vollständige, symmetrieergänzte Motive in translationssymmetrischer Anordnung.

Bevor diese Symmetrien näher betrachtet werden können, müssen (wie auch bei der Einführung der Punktgruppen) zusätzlich neue, zusammengesetzte Symmetrieoperationen besprochen werden. Diese entstehen durch Kombination der bekannten Punktsymmetrie-Operationen mit der neuen Symmetrieoperation Translationen durch zusammensetzen (d.h. Hintereinanderausführen). Wie bei den Drehinversions- und Drehspiegelachsen sind i.A. die einzelnen Basissymmetrien selber nicht vorhanden. Da sich der zweidimensionale Fall besser darstellen läßt als der 3D-Fall, wird die Symmetrie zunächst für den zweidimensionalen Fall beschreiben.


Beispiel 1-dim. periodischen Strukturen (einseitige Bänder)

EINSCHUB: Beschreibung von Punkten, Richtungen und Flächen in periodischen Strukturen
Zur Verständigung ist wichtig, wie allgemein Orte (Punkte, z.B. Atompositionen), Richtungen (z.B. Primär- und Strahlung) und Flächen (entscheidend für die Beugung) bezeichnet werden. Hierzu zeigt Abbildung II.2.3. den zweidimensionalen Fall.
Abb. II.2.3. Punkte, Richtungen (und Flächen) im Zweidimensionalen ‣ SVG

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3. 2D-Fall: Flächengruppen

Da zunächst der zweidimensionale Fall für die Beschreibung der Prinzipien der gesamten Kristallographie reicht, werden die folgenden drei Punkte als Unterkapitel des Abschnitts zu Flächengruppen:
  1. Neue Symmetrieoperationen, die durch Kombination der Punktsymmetrieoperationen mit der Translation entstehen.
  2. 'Zusammenwirken' aller möglichen Symmetrieoperationen in Ebenen- oder Flächengruppen.
  3. Beispiel: p4gm mit
3.1. Kombinierte Symmetrieoperationen
Die Punktsymmetrieelemente der zweidimensionalen Gruppen sind die in Abbildung II.2.5. gezeigten Drehachsen der Zähligkeiten 1, 2, 3, 4, und 6 sowie die zur Ebene senkrecht stehende Spiegelebene.
Abb. II.2.5. Drehachsen im 2-dimensionalen (mit Translation vereinbar) ‣ SVG
Die Translation kombiniert mit der Spiegelebene führt zu einer neuen, sogenannten individuelle Translation, der Gleitspiegelebene (s. Abb. II.2.6.). Der Translationsvektor verläuft parallel zur Spiegelebene und entspricht der Hälfte der Translationsperiode des Gesamtgitters. Symbol ist eine gestrichelte Linie ----.
Abb. II.2.6. Gleitspiegelebene ‣ SVG
Als sogenannte Gesamttranslationen wird neben dem primitiven Gitter die c-Zentrierung (s. Abb. II. 2.6.) eingef¨hrt. Hier kommt zu jedem Punkt x, y ein weiterer symmetrieäquivalenter bei x+1/2, y+1/2 wieder. Da die Elementarzelle damit zwei Gitterpunkte enthält, spricht man manchmal auch von einem 'doppel-primitiven' Gitter.
Abb. II.2.7. Zentrierungen ‣ SVG
Bereits bekannt ist, wie die Symmetrieelemente zu Punktgruppen im zweidimensionalen Fall kombinieren (s. Tab. I.6.5.). Diese Tabelle zeigt die 10 möglichen Punktgruppen und die zugehörigen symmetrieangepassten Koordinatensysteme.
3.2. Flächengruppen
Die ingesamt 17 möglichen Kombinationen der Symmetrieoperationen der Fläche nennt man Flächengruppen. Sie entstehen also aus der Kombination aller Symmetrielemente (s. Schema in Abbildung II.2.8. links).
Abb. II.2.8. Flächen- (links) und Raumgruppen (rechts) ‣ SVG
Beispiele für alle 17 möglichen Gruppen (Symmetrien der Fläche) sind in Abbildung II.2.9. gezeigt. Das Motiv ist das gleiche wie oben, ein schiefes Dreieck ohne Eigensymmetrie.
Abb. II.2.9. Alle 17 Flächengruppen ‣ SVG
Die für die Beschreibung der einzelnen Muster jeweils sinnvollen Koordinatensysteme sind die gleichen wie bei den zugehörigen Punktgruppen. Die Zuordnung der Flächengruppen zu den Kristallsystemen ist in Tabelle II.2.2. nochmals mit angegeben.

Tab. II.2.2. Zweidimensionale Flächengruppen und symmetrie-angepaßte Koordinatensysteme
Hermann-Mauguin-LangsymbolFlächengruppenKoordinatensystem
1 p1 schiefwinklig: ab, γ beliebig
2 p2
1m1 pm, pg, cm rechtwinklig: ab, γ=90o
2mm pmm2, pmg2, pgg2, cmm2
411 p4 quadratisch: a=b, γ=90o
4mm p4mm, p4gm
311 p3 hexagonal a=b, γ=120o
3m1 p3m1, p31m
611 p6
6mm p6mm

Die Zuordnung der Flächengruppe (des Gesamtmusters) zur Punktgruppe (makroskopische Form) erhält man, indem alle Gleitspiegelebenen durch echte Spiegelebenen ersetzt werden und damit quasi die Translation entfernen wird. Isomorphe Flächengruppen gehören zur selben Punktgruppe (makroskopisch erkennbare Punktsymmetrie). Die Benennung der Flächengruppen erfolgt wieder nach Hermann-Mauguin, analog wie bei den Punktgruppen. Bei den Benennungsrichtungen (auch Blickrichtungen oder Bezeichnungsrichtungen) gilt, dass die 1. Richtung immer aus der Ebene heraus zeigt. Weitere Richtungsdefinition s. die Hermann-Mauguin-Benennung der Punktgruppen. Alle Flächengruppen sind im ersten Teil der International Tables for X-ray Crystallography (IT) gelistet.

3.3. Beispiel: p4g
Für die Flächengruppe p4gm (Kurzsymbol p4g) sieht der Eintrag in den International Tables ungefähr wie in Tabelle II.2.3. gezeigt aus.

Tab. II.2.3. Eintrag in den International Tables zur Flächengruppe p4gm.
Square 4mm p4gm No. 12 p4g
Origin at 4
Number of positions, Co-ordinates of equivalent positions Conditions limiting
Wyckoff notation, possible reflections
and point symmetry
General:
8 d 1 x,y; y,-x; 1/2-x,1/2+y; 1/2-y,1/2-x hk: No conditions
-x,-y; -y,x; 1/2+y,1/2-y; 1/2+y,1/2-x h0: h=2n (0k: k=2n)
hh: No conditions
Special: as above, plus
4 c m x,1/2+x; -x,1/2-x; 1/2+x,-x; 1/2-x,x; no extra conditions
2 b mm 1/2,0; 0,1/2 hk: h+k=2n
2 a 4 0,0; 1/2,1/2 hk: h+k=2n

Zu den einzelnen Angaben eines solchen Eintrags in den IT:

Zur Punktgruppe wird als 'Struktur'-Beispiel ein periodisches Muster des holländischen Zeichners (M. C. Escher), Engel und Teufel verwendet.
Abb. II.2.8. Engel und Teufel von M.C. Escher (mit Hilfslinien)
Eingezeichnet sind bzw. sofort erkennbar: Und hier kann man selber Escher spielen.

Zusammenfassung: Die vollständigen Charakterisierung einer zweidimensional periodischen Struktur besteht also aus:

Dieses Prinzip läßt sich nun ganz identisch auf den dreidimensionalen Fall erweitern.

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4. Raumgruppen

Wie bei den Flächengruppe sind auch bei den Raumgruppen (dreidimensionale Gruppen) wieder die gleichen Unterpunkte wichtig:
  1. Neue Symmetrieoperationen, die durch Kombination der Punktsymmetrieoperationen mit der Translation entstehen.
  2. 'Zusammenwirken' aller möglichen Symmetrieoperationen in Raumgruppen.
  3. Beispiel: Cmca mit
4.1. Kombinierte Symmetrieoperationen
Wie schon bei den Flächengruppen entstehen auch hier durch Kombination der 'alten' Symmetrieoperationen der Punktgruppe neue, in diesem Fall zwei Sorten von neuen Symmetrieoperationen: Durch die Kombination von Drehung n mit Translation, wobei der Translationsvektor parallel zur Drehachse verläuft, entstehen Schraubenachsen nm, und zwar 21, 31, 32, 41, 42, 43, 61, 62, 63, 64 und 65 (s. Abb. II.2.9.).
Abb. II.2.9. Schraubenachsen als neue kombinierte Symmetrieoperationen ‣ SVG
Eine Translation, gefolgt von einer Spiegelung m, wobei die Verschiebung wie im zweidimensinalen Fall nur um 1/2 der Translationsperiode erfolgt und der Translationsvektor parallel zur Spiegelebene verläuft führt zu den Gleitspiegelebenen, die je nach Richtung der Gleitung als a, b, c (Gleitkomponenten entlang der jeweiligen Gittervektoren), n (Gleitkomponente entlang von Flächendiagonalen bzw. d (Gleitkomponente entlang der Raumdiagonalen) verläuft (s. Abb. II.2.10.).
Abb. II.2.10. Gleitspiegelebenen als neue kombinierte Symmetrieoperationen ‣ SVG
Ebenfalls wie im zweidimensionalen Fall werden Gesamttranslationen, d.h. zusätzliche Translationen des gesamten Gitters eingeführt (zentrierten Gitter, nur zur Vereinfachung). Die Zentrierungen sind in Tabelle II.2.4. mit den symmetrisch äquivalenten Punkten zusammengestellt.

Tab. II.2.4. Zentrierungstypen bei Raumgruppen
Symbol Bezeichnungzusätzliche Symmetrieoperationen
P primitiv -
I 2-fach primitiv x+1/2, y+1/2, z+1/2
C 2-fach primitiv x+1/2, y+1/2, z
F 4-fach primitiv x+1/2, y+1/2, z; x+1/2,y,z+1/2; x, y+1/2, z+1/2
R 3-fach primitiv spez. Zentrierung in trigonalen Gittern

Eine Darstellung der Gitterpunkte findet sich in Abbildung II.2.11.

Abb. II.2.11. Zentrierungen in dreidimensionalen Strukturen ‣ SVG
4.2. Raumgruppen
Das Zusammenwirken/die Kombination aller dieser Symmetrieelemete (s. Abb. II.2.8 rechts) fürhrt auf die 230 Raumgruppen (s. Tab. II.2.5.). Die Raumgruppen sind - wie auch die Flächen- und Bandgruppen - unendliche Gruppen, trotzdem gelten die Gruppenaxiome. Sie entsprechen einem charakteristischen Satz von Symmetrieelementen an bestimmten Orten in einer dreidimensionalen Struktur oder der Menge von Punktgruppen an bestimmten Orten im translationssymmetrischen Muster.

Die Symbole der Raumgruppen werden nach der bei den Punktgruppen eingeführten Hermann-Mauguin-Nomenklatur benannt: Ein großerer Buchstabe beschreibt die Gesamttranslation (Bravaisgittertyp). Bis zu drei weitere Symbole nennen die Symmetrielemente entlang ausgezeichneter Richtungen, der sog. Blickrichtungen. Diese sind exakt identisch wie bei den Punktgruppen. Je nach der Minimalsymmetrie wird ein geeignetes (symmetrieangepasstes) Koordinatensystem (7 Kristallsysteme) verwendet. In der Tabelle II.2.5. findet sich eine Übersicht über alle 230 Raumgruppen.

Tab. II.2.5. Tabelle aller 230 Raumgruppen
Kristall- Punkt- Gitter- Bravaisgittertypen Blickrichtung Raumgruppen
system gruppe konstanten PCIF 1.2.3.
triklin 1 abc; α ≠ β ≠ γ ≠ 90o P - - - - - - P1
P
monoklin 2 abc; α = γ = 90o P - C - - [010] - P2, P21, C2
m Pm, Pc, Cm, Cc
2/m P2/m, P21/m, C2/m, P2/c, P21/c, C2/c
orthorhombisch 222 abc; α = β = γ = 90o P C I F [100] [010] [001] P222, P2221, P21212, P212121
mm2 C2221, C222, F222, I222, I212121, Pmm2, Pmc21, Pcc2, Pma21, Pca21, Pnc21, Pmn21, Pba2, Pna21, Pnn2, Cmm2, Cmc21, Ccc2, Amm2, Abma, Ama2, Aba2, Fmm2, Fdd2, Imm2, Iba2, Ima2
mmm Pmmm, Pnnm, Pccm, Pban, Pmma, Pnna, Pmna, Pcca, Pbam, Pccn, Pbcm, Pnnm, Pmmn, Pbcn, Pbca, Pnma, Cmcm, Cmca, Cmmm, Cccm, Cmma, Ccca, Fmmm, Fddd, Immm, Ibam, Ibca, Imma
tetragonal 4 a = bc; α = β = γ = 90o P - I - [100] [100] [010] [110] [11̅0] P4, P41, P42, P43, I4, I41
P4̅, I
4/m P4/m, P42/m, P4/n, P42/n, I4/m, I41/a
422 P422, P4212, P4122, P41212, P4222, P42212, P4322, P43212, I422, I4122
4mm P4mm, P4bm, P42cm, P42nm, P4cc, P4nc, P42mc, P42bc, I4mm, I4cm, I41md, I41cd
m P4̅2m, P4̅2c, P4̅21m, P4̅21c, P4̅m2, P4̅c2, P4̅b2, P4̅n2, I4̅m2, I4̅c2, I4̅2m, I4̅2d
4/mmm P4/mmm, P4/mcc, P4/nbm, P4/nnc, P4/mbm, P4/mnc, P4/nmm, P4/ncc, P42/mmc, P42/mcm, P42/nbc, P42/nnm, P42/mbc, P42/mnm, P42/nmc, P42/ncm, I4/mmm, I4/mcm, I41/amd, I41/acd
trigonal 3 a = bc; α = β = 90o, γ = 120o (R) - - - [001] [100] [11̅0] P3, P31, P32, R3
P3̅, R
32 P312, P321, P3112, P3121, P3212, P3221, R32
3m P3m1, P31m, P3c1, P31c, R3m, R3c
3̅m P3̅1m, P3̅1c, P3̅m1, P3̅c1, R3̅m, R3̅c
hexagonal 6 a = bc; α = β = 90o, γ = 120o P - - - [001] [100] [010] [1̅1̅0] [11̅0] [120] [2̅1̅0] P6, P61, P65, P63, P62, P64
P
6/m P6/m, P63/m
622 P622, P6122, P6522, P6222, P6422, P6322
6mm P6mm, P6cc, P63cm, P63mc
m Pm2, Pc2, P6̅2m, P6̅2c
6/mmm P6/mmm, P6/mcc, P63/mcm, P63/mmc
kubisch 23 a = b = c; α = β = γ = 90o P - I F [100] [010] [001] [111] [11̅1̅] [1̅11̅] [1̅1̅1] [110] [110] [011̅] [1̅01] [11̅0] [011] [101] P23, F23, I23, P213, I213
m3 Pm3̅, Pn3̅, Fm3̅, Fd3̅, Im3̅, Pa3̅, Ia
432 P432, P4232, F432, F4132, I432, P4332, P4132, I4132
4̅3m P4̅3m, F4̅3m, I4̅3m, P4̅3n, F4̅3c, I4̅3d
mm Pmm, Pnn, Pmn, Pnm, Fmm, Fmc, Fdm, Fdc, Imm, Iad

Die Tabelle II.2.5 gibt eine Übersicht über alle 230 Raumgruppen.

Alle Raumgruppen sind in den International Tables (IT) wieder sehr genau tabelliert. Eine schöne Zusammenstellung mit unzähligen kristallographischen Tools findet man auch auf dem Bilbao Crystallographic Server.
4.3. Beispiel: Cmca
Als Beispiel ist in Tabelle II.2.5. ein Eintrag der Raumgruppe in den IT für die orthorhombische Raumgruppe Cmca gezeigt. Ein zugehöriges 'Muster' (s.u.) ist die Struktur von elementarem Iod (A14-Typ).

Tab. II.2.6. Eintrag in den Internationale Tables zur Raumgruppe Cmca
Cmca
Orthorhombic mmm C 2/m 2/c 21/a No. 64 D182h
Origin at 2/m
Number of positions, Co-ordinates of equivalent positions Conditions limiting
Wyckoff notation, possible reflections
and point symmetry
(0,0,0; 1/2,1/2,0)+
16 g 1 x,y,z; x,-y,-z; x,1/2-y,1/2+z; x,1/2+y,1/2-z; hkl: h+k=2n
-x,-y,-z; -x,y,z; -x,1/2+y,1/2-z; -x,1/2-y,1/2+z. 0kl: (k=2n)
h0l: l=2n; (h=2n)
hk0: h=2n; (k=2n)
h00: (h=2n)
0kl: (k=2n)
00l: (l=2n)
Special: as above, plus
8 f m 0,y,z; 0,-y,-z; 1/2,y,1/2-z; 1/2,-y,1/2+z. no extra conditions
8 e 2 1/4,y,1/4; 3/4,-y,3/4; 3/4,y,1/4; 1/4,-y,3/4. hkl: h=2n; (k=2n)
8 d 2 x,0,0; -x,0,0, x,1/2,1/2; -x,1/2,1/2. hkl: k+l=2n; (l+h=2n)
8 c 1/4,1/4,0; 1/4,3/4,0; 1/4,1/4,1/2; 1/4,3/4,1/2. hkl: h,l=2n (k=2n)
4 b 2/m 1/2,0,0; 1/2,1/2,1/2.
4 a 2/m 0,0,0; 0,1/2,1/2.
Symmetry of special projections
(001) pmm; a'=a/2, b'=b/2; (100) pgm; b'=b/2, c'=c; (010) pmm; c'=c/2, a'=a/2

Als Muster-Beispiel ist die Struktur von elementarem Iod I2 gezeigt, in der isolierte I2-Moleküle vorliegen (Molekülkristall). Für die komplette Beschreibung/Charakterisierung dieser Struktur reichen:

Damit ist die vollständige Darstellung und Beschreibung der Struktur möglich In Abbildung II.2.12. sind diejenigen Symmetrieelemente ausführlich erklärt, die im Raumgruppen-Symbol enthalten sind.
Abb. II.2.12. Struktur von Iod (mit Veranschaulichung der Symmetrieelemente des Raumgruppensymbols ‣ SVG
Unten: Anklicken der einzelnen Symbole des Hermann-Mauguin-Symbols der Raumgruppe zeigt das jeweilige Symmetrieelement sowie diejenigen Atome (rot), die aus einem willkürlich ausgewählten I-Atom (in gelb) durch dieses Symmetrieelement erzeugt werden (analog zu Abb. II.2.12. oben).
1. Richtung 2. Richtung 3. Richtung
[100] [010] [001]
2 2 21
C -- -- --
m c a

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