Vorlesung Methoden der Anorganischen Chemie
I. Spektroskopische Methoden
5. Mößbauer-Spektroskopie
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Vorlagen zu I.5.
- Vorlage I-5.1: Prinzip, Isomerieverschiebung
(PS,
PDF)
- Vorlage I-5.2: Quadrupolaufspaltung, magnetische Hyperfeinaufspaltung
(PS,
PDF)
1. Prinzip der Methode
Die M"o"sbauer-Spektroskopie, genannt nach
Rudolf L. M"o"sbauer, der die Methode 1958 im Rahmen seiner Doktor-Arbeit entdeckt
hat und 1961 hierf"ur den Nobelpreis erhalten hat, basiert auf der
R"ucksto"sfreie Kernresonanzabsorption von gamma-Strahlen.
Zum Prinzip:
Als Quelle f"ur die gamma-Quanten dient ein radioaktives Nuklid (Kern)
das unter Emission zerf"allt. Die typischen Energien
sind demzufolge mehrere keV, d.h. es handelt sich um eine
Spektroskopie im extrem hohen Energiebereich.
Als Quelle f"ur die Fe- und die Sn-M"osbauerspektroskopie dienen
57Co_zerfall.ps
Abb. 1
- Fe Die gamma-Strahlung mit einer Energie von 14.4 keV
entstehet aus ^{57}Fe, das allerdings nur mit einer H"aufigkeit von 2 %
vorkommt.
Eine Co- (oder Co-haltige) Quelle mit einer sehr praktischen Halbswertszeit
\tau von 280 Tagen entsteht durch Elektronen-Einfang aus K-Schale das
Nuklid ^{57}_{26}, das wie in Abb. 1 dargestellt stufenweiser und
schneller unter Energie-Verlust zerf"allt. Der interessante "Ubergang
ist dabei der mit 14.41 keV gleich wichtig:
Kernspin oben = angeregt \mapsto I=\frac{3}{2}
Kernspin unten = Grundzustand \mapsto I=\frac{1}{2}
- Sn: Bei der Zinn-M"o"sbauerspektroskopie wird eine Energie
von 23.87 keV verwendet, die aus einer aktiven Quelle von ^{119}_{50}Sn (\tau=245 d)
entsteht. Interessanter "Ubergang ist wie bei Fe oben wieder der mit einem Spinwechsel
verbundndene "Ubergang.
Auch f"ur viele andere Elemente wurde der M"o"sbauer-Effekt prinzipiell
nachgewiesen, limitierend f"ur die Anwendung der Methode ist prim"ar
die Verf"ugbarkeit und praktikable Halbwertszeit der entsprechenden Quellen.
In Abbildung 2 sind die Elemente im Periodensystem gekennzeichnet, f"ur die
der M"o"sbauer-Effekt nachgewisen wurde:
periodensystem.ps
Abb. 2
In der Probe absorbieren die Kern desselben Isotopes diese eingestrahlten
\gamma-Quanten, jedoch nur in dem Fall, in dem die Energien sehr genau
"ubereinstimmen (Resonanz-Methode).
Das Hauptprobleme bei der M"o"sbauer-Spektroskopie
ist die Linienbreite der Quelle, die extrem klein ist.
Da die Energie der Anregung extrem hoch ist, betragen
die Relaxationszeiten \tau nur zwischen 10 und 100 ns (10 - 100 \cdot 10^{-9}s).
Wegen der Unsch"arferelation: \delta E \tau = \hbar
ist die Linienbreite \delta E = 10^{-8} eV, d.h. die Linien sind
extrem scharf.
Da die gamma-Quanten durch den R"uckstoss bereits in der Quelle
eine Energie von ca. 10^{-3} eV verlieren, ist eine direkte
Resonanz wegen der schmalen Energie-Verteilung nicht mehr m"oglich.
Der M"o"sbauer-Effekt kann daher nur dann beobachtet werden, wenn sowohl
Probe als auch Quelle fest sind.
Auch im Festk"orper sind jedoch Gitterschwingungen vorhanden,
deren Energien bei ca. 10^{-3} eV liegen.
Trotzdem besteht noch eine gewisse und ausreichende Wahrscheinlichkeit,
da"s ein "Ubergang ohne die "Anderung der Gitterschwingung erfolgt.
Die Intensit"at der Resonanzlinien bleibt aber stark von der Atombewegung
abh"angig. Der Bruchteil der Quanten, die ohne Energie-Verlust
absorbiert und emittiert werden, wird durch den sog. Lamb-M"o"sbauer-Faktor
(der auch als Debye-Waller-Faktor bekannt ist) beschrieben:
f = e^{-k^2}
mit
- k: Wellenzahl der \gamma-Quants (k=\frac{E}{\hbar c}, \sim Impuls)
- : mittleres Auslenkungsquadrat
d.h. geringe Atombewegung: klein \mapsto f gr"o"ser
geringeres k: \mapsto f gr"o"ser
Die praktische Konsequenz ist, da"s nicht zu hochenergetische gamma-Quanten
verwendet werden sollten (Verringerung von k) und h"aufig nur mit K"uhlung
von Probe (und Quelle) (d.h. bei Verringerung von gearbeitet werden
mu"s, da die Energie-"Anderungen durch die 'Chemie' (d.h. die Me"sgr"osssen)
auch nur im Bereich von 10^{-8} eV liegen.
Der experimentelle Aufbau ist in Abbildung X dargestellt.
spektrometer.ps
Abb. X
Der 'Trick' der Methode ist die Variation der eingestrahlten Energien durch
den Dopplereffekt:
E_{\gamma}(v) = E_0 (1+ \frac{v}{c})
Danach entspricht eine Geschwindigkeit v von 1 mm/s einer
Energie"anderung um 5 . 10^{-8} eV.
Praktisch wird die Geschwindigkeitsvariation durch Sinus-f"ormige
Bewegungen des Emitters (Schwingungen mit wenigen Hz) durchgef"uhrt.
Der Absorber (Probe) wird meist gek"uhlt. Von der Probenseite
gesehen ist die Methoden wenig anspruchsvoll, Kristallinit"at
und Verunreinigungen, die das jeweilige Isotop nicht enthalten sind
unkritisch. Die wurde daher bei Mimos (WEB-Links) im Weltraum als
vergleichsweise einfache Methoden in der Analytik eingesetzt.
Als Detektor dient ein Proportionalz"ahlrohr, ein Szintillationsdetektor
oder Halbleiter-Detektor, die Me"szeit sind lang und betragen
mindenstens mehrere Tage.
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Gesamtansicht |
Transducer mit Laser zur v-Messung |
Detektor |
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Quellenschieber und Probenhalterung |
Probenbehälter |
Fe/Rh-Quelle |
Elektronik-Schrank |
Das eigentliche Spektrum entsteht anschaulich
durch "ubereinander-fahren von Quelle- und Absorberlinie, die Abb. X
zeigt:
spektrum.ps
Abb. X
Die Informationen, die die M"o"sbauerspektroskopie
liefert, lassen sich in drei Gruppen separieren:
- Elektrische Monopol-Wechselwirkung, die zur 'Isomerie-Verschiebung' f"uhrt
(Lage der Resonanz-Signale auf der Energie-Achse).
- Elektrische Quadrupol-Wechselwirkung, die zur sogenannten
'Quadrupol-Aufspaltung' f"uhrt (Auspaltung der Resonanzsignale)
und daraus resultiert, da"s der Kernspin des Nuklids im angeregten
Zustand I_{oben} gro"ser als \frac{1}{2} ist.
- Magnetische Dipol-Wechselwirkung, die zur weiteren sog. 'magnetische Aufspaltung'
f"uhrt, wenn die Probe magnetische Ordnung zeigt.
Diese werden in den folgenden Abschnitten 2 bis 4 im Details beschrieben und
an Beispielen aus dem Bereich der Sn- und der Fe-M"o"sbauerspektroskopie gezeigt.
2. 'Isomerie-Verschiebung' (elektrische Monopol-Wechlsewirkung)
Die Isomerieverschiebung \delta (in Einheiten von [mm/s], wobei
1 mm/s = 5 . 10-8 eV entspricht)
folgt aus der elektrostatischen Wechselwirkung zwischen Kern- und
Elektronen-Ladung.
\delta h"angt von der Differenzen zwischen Kernradius/in e^--Dichte am Kernort)
Differenzen der Kernradien \Delta (r^2)
egal, da E/A gleicher Kern
e^--Dichte am Kernort = \Delta \rho_0 = f(Chemie!!)
genau: \fbox{E_s = \frac{2 \pi}{3} Z e^2 \Delta (r^2) \Delta \rho_O} (Folie)
\rho_0 = Anteil an s-e^-
Praktisch/chemisch gehen in \delta also ein:
- Oxidationszustand
- Hybridisierung, Bindungsart (z.B. Kovalenz)
- Elektronegativit"at der Liganden
Beispiel Sn
\delta von \fbox{Sn}-Verbindungen + Spektrum von RbSn
Moessbauer/rbsn_1.ps
Moessbauer/skala_rbsn.ps
in RbSn: 2.38 mm/s
\underline{Skala} f"ur Sn:
- Sn(IV) ionisch = 4d^{10} = 0 mm/s
- Sn(IV) kovalent
- Sn(0) sp^3 = 2.0 mm/s
- Sn(0) metallisch = 2.56 mm/s
- Sn(II) kovalent z.B. SnO
- Sn(II) ionisch, ohne stereochemisch aktives Lone-Pair: 4.1 mm/s
parallel besetzter s-Anteil
% - f(e^--Dichte am Kernort) \mapsto s-e^- Zustandsdichte
% - praktisch: OS als wichtigste Info
Beispiel Fe
"ahnlich, aber nicht so deutlich und im Detail unverstanden
im wesentlichen: \delta=f(OS)
4. 'Quardupolaufspaltung' (elektrische Quadrupol-Wechselwirkung)
elektr. Quadrupol-WW \mapsto Quadrupol-Aufspaltung (analog NQR) (Vorl. 5.2. oben)
\psfig{figure=./Xfig_bilder/Moessbauer/quadrupol_ww.ps,width=10cm,angle=-90.}
bei Kernen mit I > \frac{1}{2}
unsymmetrische Ladungsverteilung im Kern
\mapsto Kern = elektr. Quadrupol eQ
Orientierungsm"oglichkeiten im E-Feld
I=\frac{3}{2} \mapsto 2 Orientierungen mit E-Abstand \Delta E_Q
\Delta E_Q = f(Oxidationszustand, Spinzustand, Symmetrie)
allgemein: \fbox{E_Q(m) = \frac{e Q V_{zz}}{4I(2I-1)} [3m^2 - I(I+1)] }
bei I=\frac{1}{2} nach I=\frac{3}{2}-Kerne (z.B. Fe, Sn)
Aufspaltung in Dublett mit \Delta E_Q = \frac{eQV_{zz}}{2}
f"ur \Delta E_Q wieder 2 Gr"o"sen wichtig:
Q = f(Kern/Spin) \Leftrightarrow konstant f"ur Kern
V_{zz} = elektrischer Feldgradient \Leftrightarrow Verbiegung der Feldlinien des E-Felds
\ding{192} Ableitung des Feldes nach Ort (Feldgradient)
\ding{193} Ableitung des von e^- am Kernort erzeugten elektrost. Potentials nach Ort
anschaulich:
- V_{zz} = 0 bei kubischer Umgebung
- V_{zz} umso gr"o"ser, je
unsymmetrischer/weniger kubisch die e^--Ladungsverteilung
Bsp: Fe(II)-Komplexe
- d^6 LS = nur gepaarte e^- \mapsto kein Magnetismus
Na_4[Fe(CN)_6] (Na-Hexacyanoferrat(II), Singulett
Na_2[Fe(CN)_5(NO^+)] (Na-Nitrosopentacyano-Ferrat(II)
Dublett, da unsymmetrische e^--Dichteverteilung
4. Magnetische Hyperfeinaufspaltung
magnetische_ww.ps
Kerne mit Spin = bewegte Ladungen = Magnete (vgl. NMR)
quantenmechn. System: 2I+1 Ausrichtungsm"oglichkeiten
magnetische Quantenzahlen (vgl. NMR)
I=1/2 \mapsto m_I \pm \frac{1}{2}
2 Einstellungen im Feld
I=3/2 \mapsto M_I \pm \frac{1}{2} oder \frac{3}{2}
4 Einstellungen im Feld
damit: oben 4, unten 2
wegen Auswahlregel: \Delta_m = -1, 0, 1
\mapsto 6 Linien im Spektrum
St"arke der WW mit Magnetfeld B:
\fbox{E(m_I) = - m \frac{\mu}{I} B }
I: Drehimpuls (liegt fest)
\mu: magn. Momemt (liegt auch fest)
B = interne Magnetfelder
- ferro-, ferri- und antiferromagnetischen Stoffen
Beispiel 1: \underline{Rein-Fe} sechs Linien (s.o.)
Zentrum des Sextetts: bei \delta wie Fe^0
kugelsymmetrisches Feld, kein Quadrupol-Splitting
Beispiel 2: \underline{Magnetit}
Fe_3O_4, Inversspinell: Fe^{III,TL}[Fe^{II/III,OL}_2O_4]
\psfig{figure=./Xfig_bilder/Moessbauer/magnetit.ps,width=3.7cm,angle=-180.}
- 2 Sextetts
- A: kleinere Intensit"at, Fe(III) auf TL
- B: gr"o"sere Intensit"at, Fe(II+III) auf OL
eine Spezies, d.h. schneller e^--Austausch auf OL
viele weitere Beispiele:
- HS/LS-Komplexe, Fe(II) oder (III)
- in beliebigen Proben und unter div. Bedingungen einfache Messung:
Fe in Spinat ?
Rost
Anteil Fe(II,III) im Blut
usw., alles ohne Abtrennung
auch bei nichtkristallinen Proben!
- Info praktisch sonst nur aus EXAFS/XANES Kantenspektren