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Vorlesung Chemie der Nichtmetalle

4. Halogene: F, Cl, Br, I, At

4.5. Sauerstoffsäuren und ihre Salze

4.5.1. Übersicht

Als Sauerstoffsäuren der Halogene bzw. ihre Salze sind bekannt:

In der folgenden Tabelle 4.5.1. sind die wichtigsten Sauerstoffsäuren der Halogene zusammengestellt:

n Formel Bezeichnung X in HXOn Darstellung
Säuren Salze F Cl Br I
1 HXO Unterhalogenige S., Halogen(I)-S. Hypohalogenite + + + + X2 + 2 H2O <---> H3O+ + X- + HOX
2 HXO2 Halogenige S., Halogen(III)-S. Halogenite - + (+) (+) 2 ClO2 + 2 OH- + H2O2 ---> 2 ClO2- + 2 H2O + O2; BrO- + ClO- ---> BrO2- + Cl-
3 HXO3 Halogen-S., Halogen(V)-S. Halogenate + + + 3 OX- <---> X- + XO3- bzw. für X=I: I2 + 5 Cl2 + 6 H2O ---> 2 HIO3 + 10 HCl
4 HXO4 Perhalogen-S., Halogen(VII)-S. Perhalogenate + + + anodische_Oxidation_von_Chloraten: ClO3- + H2O <---> ClO4- + 2 H+ + 2 e-
4 H5IO6 Orthoperiodsäure - - +
4 H7I4O14 Triperiodsäure +
4 (HIO4)x Polyperiodsäure +

Tab. 4.5.1. Wichtige Sauerstoffsäuren der Halogene

Für die einzelnen Säuren werden im folgenden allgemeine Tendenzen bzw. Angaben bezüglich

  1. der Säurestärke
  2. der Stabilität
  3. der Struktur
  4. der Oxidationswirkung
  5. der Darstellung
  6. und der wichtigsten technischen Produkte
angegeben
  1. Zunächst sind alle Verbindungen klar Säuren. Die Säurestärke nimmt mit dem Sauerstoffgehalt zu. Sie sinkt von den Fluor- zu den Iod-Säuren. So beträgt der pKs-Wert von HOCl 7.53 und es handelt sich damit um eine sehr schwache Säure. HClO4 ist mit einem pKs von -10.0 dagegen stark dissoziiert und ist eine sehr starke Säure. Einige pKs-Werte sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt:

    n in HXOn
    X 1 2 3 4
    F höhere bei F unbekannt
    Cl 7.53 2.00 -2.7 -10.0
    Br 0
    I 0.8

    Tab. 4.5.2. Säurenstärke verscheidener Sauerstoffsäuren der Halogene
  2. Die Stabilität der Säuren nimmt mit dem Sauerstoffgehalt zu, was durch die zunehmende Zahl formulierbarer mesomere Grenzformen verständlich wird. Die Stabiltät nimmt von X=F zu X=I zu, d.h. Stabilität und Säurestärke laufen parallel. In reiner Form beständig sind nur die Verbindungen HClO, HIO3, H5IO6 und H7I3O14. Auch die Kinetik d.h. die Reaktionsgeschwindigkeiten mit Oxoanionen folgen hieraus entsprechend:
    ClO2- > ClO3- > ClO4-
  3. Die Struktur der Säuren läßt sich nach dem VB-Konzept verstehen, wenn für die Säuren HXOn jeweils sp3dn-1-Hybride angenommen werden. Die Wasserstoff-Atome sind in allen Fällen an den Sauerstoff gebunden, die Winkel am Sauerstoff betragen ca. 110o, entsprechen also ziemlich genau dem Tetraederwinkel. Die Bindungslängen X-O verkürzen sich mit steigendem n, da sich der Doppelbindungsanteil erhöht. Die folgende Abbildung zeigt die Strukturen und Valenzstrichformeln (alte Schreibweise!) der einzelnen Anionen:
    Abb. 4.5.1. Valenzstrichformeln von Cl-Sauerstoffverbindungen SVG
  4. Oxidationswirkung: Alle Halogenwasserstoffsäuren weisen positive Normalpotentiale E0 auf, sind also starke Oxidationsmittel, wobei gemäß allgemeiner Gleichung letztlich Reduktion zu den Halogeniden erfolgt:
    Xn+ + (n+1) e- ---> X-
    Die Oxidationswirkung nimmt mit dem Sauerstoffgehalt der Säure ab.
    Abb. 4.5.2. Übersicht über Oxide und Sauerstoffsäuren des Chlors SVG
    In der schematischen Übersicht Tab. 4.5.2. sind die Redoxpotentiale im Alkalischen (bei pH 14) grün, die bei pH=0 blau bekennzeichnet. Die Oxidationskraft ist im Sauren (wie immer, wenn OH-/H+/H2O bei der Redoxreaktion beteiligt sind) größer. Umgekehrt ist die Reduktionskraft im Alkalischen größer. Die allgemeine Gleichung für die Oxidation ist:
    Xn+ ---> Xn+2m + 2m e-
    Wegen der im Alkliaschen höheren Reduktionskraftauch verlaufen Disproportionierungen meist auch nur bei hohen pH-Werten, z.B.:
    Cl2 + 2 OH- ---> Cl- + ClO- + H2O
    Diese Reaktion verläuft z.B. nur im Alkalischen, da Die entsprechenden Potentialdiagramme beschreiben hier nur die Thermodynamik, die Kinetik ist oft wichtiger und sehr viel komplizierter.
  5. Allgemein gibt es folgende Darstellungsmöglichkeiten für die Sauerstoffsäuren der Halogene (in der Reihenfolge!):
  6. Die wichtigen technischen Produkte sind:
Die folgende Tabelle 4.5.3. gibt eine Übersicht der technisch wichtigen Oxohalogenverbindungen mit Verwendung und Darstellung:

Verbindung Darstellung Verwendung
ClIVO2 NaCl+VO3 + 2 HCl-I ---> ClIVO2 + 1/2 Cl02 + NaCl + H2O Bleichmittel (z.B. Papierherstellung), Desinfektionsmittel, Einkeimung
2 NaCl+VO3 + S+IVO2 + H2SO4 ---> 2 ClIVO2 + 2 NaHSO4
Cl+IO- 2 NaOH + Cl02 ---> NaOCl+I + NaCl-I + H2O4 Desinfektionsmittel, Bleichlauge
Ca(OH)2 + Cl02 ---> Ca(OCl+I)Cl-I + H2O
ClIIIO2- 2 ClIVO2 + 2 NaOH + H2O-I2 ---> 2 NaCl+IIIO2 + 2 H2O + O02
Cl+VO3- (1) Cl02 + H2O ---> HOCl+I + HCl-I U-Verarbeitung; K-Salz: Feuerwerkskörper, Zündhölzer
(2) OH- + Cl02 ---> [OCl+I]- + HCl-I
(3) 2 HOCl + OCl- ---> ClO3- + 2 HCl
Cl+VIIO4- NaClO3 + H2O ---> NaClO4 + H2 Raketentreibstoff, Feuerwerkskörper
Cl2 + 8 H2O ---> 2 HClO4 + 7 H2

Tab. 4.5.3. Technisch wichtige Chlor-Sauerstoff-Verbindungen

Jetzt im Einzelnen:

4.5.2. Unterhalogenige Säure (HOF, HOCl, HOBr, HOI)

Die Halogen(I)-Säuren oder unterhalogenige Säuren enthalten die Halogene in der Oxidationsstufe +I. Die Salze mit dem korrespondieren Anion [XO]- nennt man Hypohalogenite oder Halogenate(I).

4.5.3. Halogenige Säuren (HClO2, (HBrO2, HIO2 nur Salze))

Die Salze der Halogen(III)-Säure (auch halogenige Säure) heißen Halogenite oder Halogenate(III).

4.5.4. Halogensäuren (HClO3, HBrO3, HIO3)

Die Halogene liegen in der Oxidationsstufe +V vor, d.h. die Säuren heißen korrekt Halogen(V)-Säuren. Die Salze sind die Halogenate (alt) oder korrekt Halogenate(V).

4.5.5. Perhalogensäuren (HClO4, HBrO4, HIO4)

Bei den Perhalogensäuren liegt das Halogen in der Oxidationsstufe +VII vor, d.h. die korrekte Bezeichnung ist Halogen(VII)-Säure. Die Salze heißen Perhalogenate oder Halogenate(VII).

Die Periodsäure nimmt unter den Perhalogensäuren eine Sonderstellung ein:

Abb. 4.5.3. Periodsäuren SVG
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