Vorlesung Anorganische Strukturchemie
2. Strukturchemie kovalenter Festkörper
2.6. Cluster und Käfige
Bei kovalent aufgebauten Verbindungen mit relativ wenigen Valenzelektronen (VE)
müssen die Atome nach der 8-N-Regel viele Bindungen ausbilden.
Allein aus geometrischen Gründen kommt es in diesen Fällen
bei den schwereren Elementen, die diesen Elektronenmangel nicht durch die
Ausbildung von Mehrfachbindungen zu kommensieren vermögen, zur Bildung
von homoatomaren Käfigen. Meist sind hierin einige oder gelegentlich auch alle Atome dreibindig,
d.h. die VE-Zahl ist bei ca. 5 oder etwas darüber.
Ist die VE-Zahl wesentlich nieder als dieser Wert, so
reicht die Zahl der Elektronen auch hierfür nicht aus
(der Klassiker ist hier natürlich das Bor) und Borreiche Boride (s.u.),
dann werden Mehrzentrenbindungen ausgebildet und es entstehen Cluster.
Diese lassen sich nicht mehr nach der 8-N-Regel bzw. im Fall anionischer Verbindungen nach
dem Zintl-Konzept beschreiben, sondern die von den Boranen bekannten
Wade-Regeln müssen zur Interpretation der Bindungsverhältnisse herangezogen
werden. Beide Situationen, einfach Käfige mit zumindestens formal 2e2c-Bindungen
und echte Cluster können daher
sowohl bei Kationen der Elemente der 15. und 16. Gruppe, als auch noch
bei Anionen der Elemente der 13. und 14. Gruppe vorliegen. Obwohl sich die
Chemie dieser beiden Verbindungsgruppen prinzipiell unterscheidet (die
kationischen Cluster sind durch Gegenanionen stabilisiert, die
z.T. mühsam von der Bindung an den Cluster abgehalten werden müssen, die
anionischen Cluster sind nur bei Anwesenheit echter Kationen, d.h. in polaren
zumeist schon intermetallischen Phasen stabil) lassen sich die Strukturen und
die Bindungsverhältnisse in diesen beiden Verbindungsklassen der (schweren)
Hauptgruppenelemente schön vergleichen.
Valenzelektronenzahlen - Strukturen - Bindung
Je nach der Zahl der Valenzelektronen unterscheiden sich kovalente Hauptgruppenelement-Verbindungen:
- N = 6 i.A. Ringe, auch Ketten; 2-Bindigkeit
- N zwischen 5 und 6: Käfige, vgl. P-S-Chemie, Polyphosphide usw.
- N = 5, d.h. P, Si-, Se+: Dreibindigkeit. z.B. Schichten (im FK). mit
vielen grosssen nicht koordinierenden Gegenionen acuh Käfige.
Z.B. P4, Si44-, schon ein Cluster,
aber noch elektronenpräzise kleinster Käfig und kleinster Cluster
- N zwischen 4 und 5: meistens schon echte Cluster
- N = 4, d.h. Si, In-, P+, Sb+ usw.
- N kleiner 4: muss automatisch Cluster bedeuten
- N = 3 zu wenige Elektronen, vgl. Borane und Bor-Modifikationen usw.
Am besten hierzu einen der Vorträge zu Clustern und Käfigen der
III. und IV. Hauptgruppe z.B. zum
AGP 2009 (PDF) anschauen.