2.5 Strukturchemie III: Besondere Strukturen

Einige wenige weitere Metallpackungen lassen sich von dichtesten Schichten herkommend verstehen:

Die Actinoiden U, Np und Pu bilden ebenfalls viele verschiedene Modifikationen. Prinzip der Strukturen sind hier dichteste Schichten in der Ebene, die aber nicht über die Zwickel, sondern über die Kanten der Dreiecke gestapelt sind.

Abb. 2.5.1. Uran und Plutonium-Typ ‣SVG
In Abbildung 2.5.1. sind Projektionen der γ-Pu-Struktur (Stapelfolge A-B-C-D) und des α-U-Typs (A-B) gezeigt. Statt der A-B-C-Bezeichnung verwendet man hier häufig zur Unterscheidung von den dichten Packungen auch die Bezeichnungen A-D-D'-D'' bzw. A-D.

Nur einige wenige Metalle bilden bei Normalbedingungen bereits recht komplexe Strukturen, dazu gehört das Element Mangan:

Mangan kristallisiert in drei verschiedenen kubischen Strukturen mit Koordinationszahlen der Mn-Atome von 12 bis 16:
- Die bei tiefen Temperaturen antiferromagnetische Normaltemperaturform, α-Mn, kristallisiert in der Raumgruppe I4̅3m mit 58 Atomen in der Elementarzelle. In Abbildung 2.5.2. ist der Zusammenhang der Struktur mit einfacheren und weiteren komplexeren kubischen Metallstrukturen gezeigt:
  
  Abb. 2.5.2. Ableitung der Struktur von α-Mangan (s. Text)
  Zunächst wird der Raum in gekappte Oktaeder ('truncated octahedra', TO, cyan) geteilt, was ohne Leerräume dazwischen vollständig gelingt (vgl. die Struktur von Sodalith oder die 1. BZ des kubisch flächenzentrierten Gitters).
  - Wenn man diese TO mit einem Oktaeder (O) und einem Würfel (C) füllt, erhält man die gewöhnliche f.c.c.-Packung (Abb. 2.5.2. unten links).
  - Besetzt man die TO mit einem Zentralatom (c), das von einem gekappten Tetraeder ('truncated tetrahedron', TT) umgegeben ist dessen vier Sechseckflächen wieder überkappt sind ('tetrahedron', T), dann ist die Struktur schon komplett erklärt. Sie enthält nach dieser Beschreibung zwei TO, also insgesamt 29x2=58 Atome auf vier verschiedenen kristallographischen Lagen (c, T, TT, TO) (Abb. 2.5.2. unten Mitte).
  - Auf gleicher Weise lassen sich auch die b.c.c.-Packung und die komplizierte Struktur von γ-Messing beschreiben.
- Die Hochtemperaturform β-Mn, die sich durch Abschrecken der Schmelze herstellen läßt, kristallisiert in der Raumgruppe P4₁21, in einer kleinen Elemenatarzelle mit 20 Atomen. Die Struktur enthält zwei kristallographisch unterschiedliche Mangan-Positionen. Die Mn(1)-Atome bilden ein für die Raumgruppe typisches dreidimensonales Netz aus flach trigonal-pyramidal koordinierten Atomen (blau). Sie sind Zentren von nur wenig verzerrten Ikosaedern.
  
  Abb. 2.5.3. Verschiedene Ansichten der Struktur von β-Mangan (s. Text)
  In den Abbildungen 2.5.3. links und rechts sind diese einander durchdringenden Ikosaeder gezeigt (!alle sind Symmetrie-äquivalent, obwohl z.T. durch unterschiedlche Farben gekennzeichnet). Die mittlere Abbildung zeigt die 4₁-Schrauben der Mn(1)-Atome (blau, 8 Atome) und die Mn(2)-Atome (rot, 12 Atome), deren Koordinationszahl 14 beträgt.
- γ-Mn bildet den W-Typ (b.c.c.)

β-Wolfram ist wohl kein reines Wolfram!!

Die Struktur von β-Wolfram (auch als Nb₃Sn- und Cr₃Si-Typ bekannt) ist in Abbildung 2.5.4. dargestellt.

Abb. 2.5.4. Struktur von Wolfram, rechts mit Darstellung der Polyeder um die beiden Atompositionen ‣VRML (einfach) und ‣mit Polyedern
Die beiden kristallographisch unabhängigen W-Positionen sind in Abbildung 2.5.4. links rot (Nb bzw. Cr) und gelb (Sn bzw. Si) gezeichnet. Die Sn/Si-Positionen bilden Ketten, die über alle Flächendiagonalen verlaufen. Diese Ketten sind für die Supraleitfähigkeit der binären Verbindungen relevant. Die Sn/Si-Atome sind hier ikosaedrisch von Nb-Atomen koordiniert (Abb. 2.5.4. rechts, rotes Polyeder), Nb/Cr ist Zentrum eines FK14-Polyeders (doppelt überkapptes hexagonales Antiprisma, transparent dargestellt).

Besonders die Alkali- und Erdalkalimetalle bilden unter Druck nochmals eine Vielzahl interessanter und z.T. ziemlich komplizierter Modifikationen. Am Beispiel von elementarem Rubidium hierzu eine typische Phasenfolge:

Bei Normaldruck kristallisiert Rubidium wie alle Alkalimetalle im kubisch-innenzentrierten W-Typ (b.c.c.-Struktur).
Bei ca. 7 GPa geht es, wie aufgrund der Packungsdichten und Koordinationszahlen zu erwarten, in die kubische dichteste Kugelpackung über (f.c.c.-Typ).
Bei 14.3 GPa bildet es den sog. Cs-III-Strukturtyp, eine orthorhombische Struktur der Raumgruppe C222₁ mit stark gewellten 4⁴-Netzen.
- vollständige Elementarzelle
- gewelltes 4⁴-Netz alleine
Bei 17 GPa (Rb-IV) bildet sich eine tetragonal inkommensurabel modulierte Struktur, die ähnliche Kanäle aufweist wie Bi-III (Raumgruppe der gemittelten Struktur: I4/mmm).
- vollständige Elementarzelle
Bei 28 GPa entsteht der tetragonale (Raumgruppe I4₁/amd) Cs-IV-Typ, in dem 4⁴-Netze so angeordnet sind, dass trigonale Prismen entstehen. Die Koordinationszahl geht auf 8 zurück. Die Anordnung der Atome entspricht der der Th-Atome im ThSi₂-Typ.
- vollständige Elementarzelle
Bei 48 GPa, in Rb-VI, liegt die Cs-V-Struktur (auch Si-Typ, oP16, Raumgruppe Cmca) vor. Hier sind ebene 3².4.3.4- abwechselnd mit leicht gewellten 4⁴-Netzen gestapelt. Für die Atome ergeben sich damit Koordinationszahlen von 12 und 13.

Die meisten B1-Metalle und einige der A2-Elemente bilden besondere Strukturen, die den Übergang zu den kovalenten B2-Elementen bilden:

Die α-Form (Tieftemperatur-Form unterhalb 13^oC) von Zinn kristallisiert in der Diamantstruktur, ist also ein typisches kovalentes, vierbindiges Element der 4. Hauptgruppe. In der β-Form, dem sogenannten weißen oder metallischen Zinn, sind die Sn-Atome von vier, in Form eines flachen Tetraeders (4 * 302 pm, in Abb. 2.5.5. in gelb) angeordneten Nachbarn koordiniert. Zwei weitere Nachbarn (grau) befinden sich über den aufgeweiteten Kanten (2 * 318 pm). Mit einer Gesamtkoordinationszahl von 6 besteht also wieder eine direkte Verwandtschaft mit dem α-Po-Typ.

Abb. 2.5.5. Struktur von metallischem Zinn (links) ‣VRML und Vergleich der berechneten Zustandsdichten von α- und β-Zinn (rechts)
Die Abbildung 2.5.5 rechts zeigt die berechneten Zustandsdichten von α- und β-Zinn. Aus ihr wird sofort sichtbar, dass graues α-Zinn (Diamantstruktur) einfache kovalente Bindung zeigt (vgl. Silicium, Germanium usw.: Vierbindigkeit, (Pseudo)Bandlücke), während die metallische β-Form ein typisches Metall ist (hohe Zustandsdichte am Ferminiveau).
In der Normaltemperaturform von Gallium liegen Hanteln vor (1*247 pm, gelbe Bindungen in Abb. 2.5.5.). Weitere sechs Ga-Nachbarn sind in Abständen von 270 bis 280 pm (grau) angeordnet. Die Hanteln sind nicht nur im Festkörper ausgebildet, sondern konnten auch in der Schmelze nachgewiesen werden.

Abb. 2.5.5. Struktur von metallischem Gallium (links) ‣VRML und berechneten Zustandsdichten (rechts)

Im letzten Abschnitt der Elementstrukturen folgen die kovalenten Halbleiter-Strukturen.

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Abb. 2.5.5. Struktur von metallischem Zinn (links) ‣VRML und Vergleich der berechneten Zustandsdichten von α- und β-Zinn (rechts)


Abb. 2.5.5. Struktur von metallischem Gallium (links) ‣VRML und berechneten Zustandsdichten (rechts)