Vorlesung Anorganische Strukturchemie
2.3. Strukturen kovalenter Verbindungen (Auswahl)
2.3.5. Verbindungen, die nicht der 8-N-Regel folgen
Für Abweichung von der 8-N-Regel können sehr unterschiedliche Gründe verantwortlich sein:
- Bei Verbindungen mit Elementen der 1. langen Periode kommt es zur Ausbildung von
p-p-π-Doppelbindungen, was vor allem in der Molekülchemie zu den bekannten
Molekülverbindungen (z.B. N2 und das Isosteren CO oder auch
N4S4 (vgl. mit As4S4 und den anderen As-Sulfiden)
führt.
Dies ist letztlich der Grund dafür, dass die leichten Nichtmetalle kaum eine
echte Festkörperchemie zeigen. Eine der wenigen Ausnahmen davon ist Graphit und
das isoelektronische BN.
- Bei Verbindungen mit Oktettaufweitung (Hypervalenz)
gilt weiterhin nur die Gillespie-Nyholm-Konzeption. Typische Beispiele sind:
- bei Molekülverbindungen z.B.
- Edelgasverbindungen wie XeF2, XeF4 usw.
- aber auch tausende einfacher Anionen (z.B. Polytelluride wie I3-),
Chlorat, Sulfat ...)
- bei Festkörperverbindungen ebenfalls Verbindungen der schwereren Elemente. Als
Beispiel hierfür sollen nur drei kovalente Verbindungen genannt werden (vgl. Abb. 2.3.5.2):
- Ein einfaches Beispiel kann das kettenförmige Anion Te52- in
Cs2Te5
betrachtet werden. Es besteht aus
- vier zweibindigen Te-Atomen (Te0).
- einem quadratisch-planar koordiniertem Te-Atome, für
das sich aus der Ladung eine formale Ladung von Te2-
ergibt. Die Koordination ist damit mit der eines Edelgasatoms z.B.
von Xe (z.B. in XeF4)
vergleichbar.
- Ein weiteres Beispiel einer Struktur mit Oktettüberschreitung ist
Sb2S3, auch als Stibnit, Antimonit oder Grauspiessglanz
bekannt. Der letztgenannte Name ergibt sich sofort aus der Form und Farbe des Minerals (s. Abb. 2.3.5.1.).
Abb. 2.3.5.1. Grauspiessglanz, Sb2S3
Die Struktur (Abb. 2.5.3.2. Mitte) besteht aus Bändern, diese wieder bestehen aus
- einem zweibindigen S-Atom (S0)
- zwei dreibindigen S-Atomen (S+)
- einem drei-bindigem Sb-Atome (Sb0)
- einem ψ-oktaederisch koordiniertem Sb-Atom,
d.h. das 'Lone-Pair' ist hier stereochemisch aktiv,
(formal Sb2- vgl. BrF5).
- Bei As2Te3
(Abb. 2.3.5.2. rechts) liegen die Verhältnisse ähnlich: Es liegt auch hier eine Bandstruktur vor, in der
- alle Te-Atome dreibindig (Te+),
- ein As-Atome ebenfalls dreibindig (As0)
- das andere aber oktaedrisch unter Oktettaufweitung
(As3- = Xe z.B. in XeF6, aufgew. (?) Oktaeder)
von Tellur koordiniert ist.
Abb. 2.3.5.2. Strukturen ausgewählter kovalenter Verbindungen
- Bei Elektronenmangelverbindungen kommt es sie wie beim elementaren Bor
zur Ausbildung von Mehrzentrenbindungen und Clustern.
Beispiele sind die molekular die B-Subhalogenide wie B4Cl4 (Tetraeder)
und B8Cl8 (quadratisches Antiprisma). Als echte Festkörper sind vor
allem B-reiche Boride, Ga-reiche Gallide und auch einige Tetrelide (z.B. K4Sn9 mit
nido-Clustern) zu nennen.
... weiter mit Varianten einfacher Elementstrukturen, die gestopften Varianten (III)
(Kap. 2.4.) ...