Vorlesung Chemie der Metalle
8. Übergangsmetalle
8.6. Übergangsmetall-Cluster
Fassung vom 20.8.2013, es fehlen: e--arme M2-Cluster; Abb. ausser VRMLs; CO-Oktaeder
1. Übersicht, Definitionen
- Definiton
Als Cluster wird allgemein die 'Anhäufung von Gleichem',
hier also von Übergangsmetallatomen bezeichnet.
Bei dieser Bezeichnung wird die spezielle Eigenschaft
der Übergangsmetallcluster, dass nämlich Metall-Metall-Bindungen vorliegen,
nicht berücksichtigt. Nach Cotton versteht man unter Clustern dagegen
Moleküle, in denen zwei oder mehr Metallatome außer an andere
Nichtmetallatome auch an sich selbst gebunden sind, es wird also ausdrücklich
von chemischen Bindungen zwischen den Metallatomen gesprochen.
Im folgenden wird diese Definition etwas erweitert
und nicht nur Moleküle, sondern auch kondensierte Cluster in Festkörpern,
in denen dieselben Strukturprinzipien vorliegen, mit berücksichtigt.
- Einteilung
Chemisch lassen sich Clusterverbindungen einteilen in:
- Hauptgruppenmetall-Cluster (z.B. Polyanionen und
Polykationen z.B. von Sn, Bi, Pb)
- Nebengruppenmetall-Cluster. Diese lassen sich wiederum in drei
Gruppen einteilen:
- Carbonyle, Nitrosyle, Cyclopentadienyle usw. der späten Übergangs-Elemente meist in der
Oxidationsstufe 0 (z.B. Os4(CO)14)
- Cluster in Halogeniden, Oxiden und Sulfiden der frühen Übergangs-Elemente (meist in
den Oxidationsstufen +2 oder +3 (z.B. Re3Cl9 oder
die Chevrell-Phasen wie Pb[Mo6S8])
- 'nackte' Cluster der Übergangselemente, die allerdings nur
mit physikalischen Methoden untersucht werden können (z.B. Ag6)
(überlassen wir daher einfach neidlos den Physikern)
- Vorkommen
Verbindungen mit Metall-Metall-Cluster treten immer dann auf, wenn:
- die Metalle in niedrigen Oxidationsstufen vorliegen und
- die d-Zustände weit ausgedehnt sind,
- d.h. eine gute Überlappung zwischen diesen d-Orbitalen möglich ist.
Cluster treten daher vor allem bei den Elementen der 4d- und 5d-Übergangsmetallreihe auf, wo
die Metalle große Atomisierungsenthalpien aufweisen
und entsprechend bereits im Element ausgeprägte Metall-Metall-Wechselwirkungen vorliegen.
- Clusterverbindungen <--> elementares Metall
Zwischen den Clusterverbindungen und den elementaren Metallen bestehen nicht nur
bezüglich der Strukturen, sondern auch bezüglich der Eigenschaften deutliche Zusammenhänge:
- Die Verbindungen liegen strukturell zwischen den einfachen Komplexen/Halogeniden/Oxiden
und dem elementaren Metall. Durch Kondensation von immer mehr Metallatomen
bzw. von kompletten Clustern entsteht letztlich die Struktur des elementaren Metalls.
- Clusterverbindungen weisen dunkle bis metallische Farben auf, was auf
viele dicht beieinander liegende Energieniveaus zurückzuführen ist.
- Bezüglich der Redoxeigenschaften liegen Vorstufen zu metallischer Leitfähigkeit vor.
- Die mögliche Verformbarkeit zeigt sich in der Variationsbreite der Metall-Metall-Abstände.
- Je größer die Cluster sind, umso eher versagen einfache Bindungskonzepte.
- Eigenschaften und Anwendungen
Clusterverbindungen haben nicht nur interessante und z.T. sogar schöne Strukturen, sie sind auch
von den Eigenschaften her z.T. interessant:
- Einige Cluster zeigen homogenkatalytische Aktivität (z.B. [Rh12(CO)34]2-).
Es liegt quasi ein sehr fein verteiltes Metallpartikel mit entsprechend hoher Oberfläche vor.
(kurz von NANO!)
- Einige der nicht elektronenpräzisen Cluster besitzen supraleitende Eigenschaften
(z.B. die bereits oben genannten Chevrell-Phasen).
- Cluster sind auch von biologischer Bedeutung, wie das Beispiel der
Fe4S4-Clustereinheiten im Ferredoxin
des photosynthetisches Reaktionszentrum des Photosystems I zeigt.
- Kriterien für das Vorliegen von M-M-Bindungen
Typisches Merkmal von Clusterverbindungen sind Metall-Metall-Bindungen.
Als Kriterien für solche Bindungen können gesehen werden:
- kurze Metall-Metall-Abstände (z.B. aus Röntgenstrukturdaten)
in der Grössenordnung oder kleiner als die Abstände im Metall
- thermochemische Daten (deren Bestimmung jedoch meist nicht einfach möglich ist).
- RAMAN-Spektren, die Metall-Metall-Schwingungen zeigen.
(z.B. liegt die Streckschwingungsbande der Cr-Cr-Dreifachbindung bei 556 cm-1).
- Senkung oder Löschung des magnetischen Momentes bei einem mehrkernigen Komplex,
der aus Einheiten mit ungepaarten Elektronen aufgebaut ist.
(Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten, da dieser Effekt auch andere Ursachen
außer eine M-M-Bindung wie z.B. einen Superaustausch über Brückenliganden haben kann.)
2. Konzepte zum Verständnis von Clustern
Es gibt bislang (wie bei den elementaren Metallen auch) keine einfache und umfassende Theorie
zum Verständnis der elektronischen Strukturen von Clusterverbindungen.
Je nach Größe und Art des Cluster lassen jedoch die folgenden
drei Ansätze meist noch einfache Erklärungen der Zusammensetzung, Struktur
und der elektronischer Struktur von Clusterverbindungen zu:
- 18 Elektonen-Regel (für Cluster bis M4).
- Isolobal-Konzept
- erweiterte Wade-Regeln (Mingos)
- mno-Regeln
Diese vier Konzepte sollen zunächst kurz eingeführt und
an Beispielen erläutert werden.
2.1. 18 Elektronen-Regel
Die aus der Koordinationschemie bekannte 18 Elektronenregel entspricht der 8-Elektronenregel
der Hauptgruppenchemie. Auf Clusterverbindungen übertragen ist hier das Prinzip, dass
die Metallatome die 18-Elektronen-Schale durch Ausbildung von M-M-Bindungen erreichen,
d.h. man geht hier von lokalisierten 2-Elektronen-2-Zentren-Bindungen auch zwischen den
Metallatomen aus.
Das Konzept ist ausreichend für die Erklärung von Clustern mit bis zu vier Metallatomen.
- Beispiel: Mn2(CO)10
Mn0 hat die Elektronenkonfiguration d7, d.h. für
jedes Mn-Atom im Cluster ergibt sich nach Addition der 2 Elektronen der fünf
Carbonyl-Liganden (7 + 5*2) eine Gesamtelektronenzahl von 17 Elektronen. Durch Ausbildung einer
Mn-Mn-Bindung wird hier also die 18-Elektronenschale erreicht.
2.2. Isolobal-Konzept
Das Prinzip des Isolobal-Konzeptes ist der Vergleich der Symmetrie der Grenzorbitale
mit ähnlichen bekannten Fragmenten. Es gilt die etwas schwammige 'Definition':
Zwei Fragmente sind isolobal, wenn Anzahl, Symmetrieeigenschaften,
ungefähre Energie und Gestalt ihrer Grenzorbitale, sowie die
Anzahl der Elektronen in diesen, ähnlich sind.
|
Danach ergeben sich die folgenden Analogien:
isolobales Fragment | 9 | 8 | 7 | 6 | 5 |
CH3, H | d1-ML8 | d3-ML7 |
d5-ML6 | d7-ML5 | d9-ML4 |
CH2, O, S | d2-ML7 | d4-ML6 |
d6-ML5 | d8-ML4 | d10-ML3 |
CH, N, P | d3-ML6 | d5-ML5 |
d7-ML4 | d9-ML3 | |
C, BH, B- | d4-ML5 | d6-ML4 |
d8-ML3 | d10-ML2 | |
Hinter dieser Tabelle steckt der Ansatz, dass zum Erreichen der Edelgas-Schale im Fall der
Nichtmetallfragmente 8-N Bindungen (N=Zahl der vorhandenen Elektronen) ausgebildet werden,
im Fall der isolobalen Metall-Ligand-Fragmente die gleiche Zahl von Bindungen zum Erreichen
der 18-Elektronenkonfiguration für das Metall.
- Zum Beispiel fehlen dem Element Phosphor 3 Elektronen (8-N), d.h. es bildet normalerweise 3 Bindungen aus.
Dem Metall in einem Fragment d3-ML6 fehlen ebenfalls drei Elektronen
jetzt zur 18-er-Schale, denn es
hat als Fragment 6*2 (von den CO-Liganden) + 3 (von M) Elektronen, also 15 Elektronen.
Also keinesfalls diese Tabelle auswendig lernen, sie ist damit jederzeit logisch ableitbar!
Obwohl für Analogie die genaue Analyse der MO-Zustände nötig ist, ist das Prinzip
der Isolobal-Analogie verständlich und anschaulich, d.h. mit der obigen Tabelle (bzw. Idee dahinter!) lassen sich
auch die Clusterverbindungen (ohne MO-Betrachtung) auf bekannte Verbindungen zurückführen.
-
Beispiel: Mn2(CO)10
Es liegen zwei Md7(CO)5-Fragmente vor, die
isolobal zum Radikal CH3 sind und demzufolge unter Ausbildung einer
M-M/C-C-Bindung zu einer stabilen Verbindung zusammentreten.
Mit Hilfe dieses Konzeptes können nun auch Cluster mit einer größeren Zahl von M-Atomen
und zwar nach den (erweiterten) Wade-Regeln behandelt werden, indem die Komplexe auf
BH-analoge Fragmente zurückgeführt werden.
2.3. Erweiterte Wade-Regeln (Polyederskelett-Elektronenpaar-Theorie)
Besonders für größere Cluster ab M4
kann die Isolobal-Beziehung mit den Wade-Regeln kombiniert werden.
(Diese Idee versagt erst bei sehr großen Clustern,
deren M-Teilverbände keine sphärische Form mehr haben.
Für die Koordinationszahl 12 treten außerdem keine Iksoaeder wie bei Boranen auf,
sondern es bilden sich Ausschnitte aus Metallpackungen).
Dazu werden die Metallorbitale in skelettbindende und ligandenbindende
eingeteilt und die von den Boranen bekannten empirischen Regeln für die
skelettbindenden Elektronenpaare (SEPs) angewendet:
Gerüstbindungs-e--Paare |
Name | Geometrie |
n-1 |
- |
(n-2)-Polyeder, 2 Flächen überdacht |
n |
- |
(n-1)-Polyeder, 1 Fläche überdacht |
n+1 |
closo |
n-Polyeder, keine freien Ecken |
n+2 |
nido |
(n+1)-Polyeder, eine freie Ecke |
n+3 |
arachno |
(n+2)-Polyeder, zwei freie Ecken |
n+4 |
hypho |
(n+3)-Polyeder, drei freie Ecken |
Die einzelnen Schritte der Rechnung sind also:
- Die Fragmente (Clusterecken inkl. Liganden) werden mit Hilfe der Isolobalbeziehung in
BH-Fragmente (gerade Elektronenzahl) oder CH-Fragmente (ungerade Elektronenzahl) zerlegt.
- Gegebenfalls werden zuvor durch Abstraktion von CO Dianionen (usw.) formuliert.
(Der Trick dahinter ist, dass closo-Cluster sehr häufig sind
und als (BH)x2- immer die Ladung -2 haben.)
- Die so erhaltene Clustergeometrie entspricht dann der der isolobalen Borane.
Dazu ein einfaches Beispiel:
Beispiel: [Osd86(CO)18]2-
An jedes Os-Atom sind drei Carbonyl-Liganden koordiniert. Das entsprechende d8-ML3-Fragment
ist isolobal zu BH, so dass der anionische Komplex isolobal zu [B6H6]2- ist.
Für letzteres ist die Elektronenbilanz nach den Wade-Regeln:
3 * 6 (von B) - 6 (exo-Bindungen) + 2 (Ladung) = 14 e- = 7 e--Paare = 6 + 1
Es liegt also ein Closo-Cluster mit geschlossenem Oktaeder vor.
2.4. mno-Regeln (Jemmis)
3. Beispiele (nach Zahl der M-Atome)
Im folgenden sollen eine Reihe von Beispielen für Cluster mit M-M-Bindungen diskutiert werden.
Dabei werden nicht nur die bekannten Carbonyl-Komplexe, sondern auch die Halogenide/Chalkogenide
der frühen Übergangsmetalle berücksichtigt.
Wegen der Anwendung der Konzepte ist es sinnvoll, mit den zweiatomigen Beispielen zu beginnen.
Die Berechnungen der Elektronenzahlen werden immer für den ganzen Cluster vorgenommen, da
dann die Berücksichtigung unterschiedlich koordinierter CO-Liganden entfällt.
M2
Der M-M-'Cluster' besteht aus einer linearen Anordnung der beiden Metallzentren.
Bei den Komplexen der späten Übergangsmetalle liegen ausschließlich
M-M-Einfach-Bindungen vor, während bei Metallen mit d4-Elektronenkonfiguration
auch Zweifach-, Dreifach- und sogar Vierfach-Bindungen auftreten. Diese Mehrfachbindungen
finden sich allerdings nur in einfachen Clustern mit zwei bzw. drei Atomen
(M2 und M3).
1. Carbonyle der späten Übergangsmetalle
M2(CO)10 mit
M = d7 = Mn, Tc, Re:
Die Struktur entspricht der Formel (CO)5-M-M-(CO)5, wobei die
CO-Liganden eclipsed zueinander stehen. Die Elektronenbilanz (18-e--Regel)
für den ganzen Komplex ergibt sich wie folgt:
2 Mn |
* 7 (d7) |
= |
14 e- |
10 CO |
* 2 e- |
= |
20 e- |
1 M-M-Bindung |
* 2 e- |
= |
2 e- |
|
Summe: |
|
36 e-/2M = 18 |
Nach der Isolobalbeziehung ist das Fragment d7-ML5
isolobal zum Methylradikal CH3 und bildet daher Dimere mit einer M-M-Einfachbindung.
Ohne großem Zauber sieht man sofort, dass einem Fragment mit 5 CO und 7 Elektronen vom Metall noch ein
Elektron zur 18er Schale fehlt. Es geht also eine Bindung ein.
... durch formale 'Abgabe' eines CO-Liganden und ´Aufnahme´ von zwei Elektronen
(durch Übergang von d7 zu d8-Metallen)
bleiben die Komplexe isoelektronisch ...
M2(CO)9 mit
M = d8 = Fe, Ru, Os:
Für die Elektronenbilanz des kompletten Komplexes ergibt sich also in diesem Fall
2 Fe |
* 8 (d8) |
= |
16 e- |
9 CO |
* 2 e- |
= |
18 e- |
1 M-M-Bindung |
* 2 e- |
= |
2 e- |
|
Summe: |
|
36 e-/2M = 18 |
Die Strukturen der drei Komplexe mit Fe, Ru und Os unterscheiden sich hier jedoch in der Anordnung der
neun Liganden: Im Fall von M=Fe sind drei CO-Liganden verbrückend, der Fe-Fe-Abstand beträgt 246 pm.
Dagegen ist in den Carbonylen der schwereren Homologen Ru und Os nur 1 CO verbrückend angeordnet.
Die Verbindungen lassen sich zerlegen in zwei Fragmente d8-ML4 und ein CO,
so dass Fe2(CO)9 insgesamt isolobal zum Cyclopropanon ist.
... durch formale ´Abgabe' eines CO-Liganden und ´Aufnahme´ von zwei Elektronen
(durch Übergang von d8 zu d9-Metallen)
bleiben die Komplexe isoelektronisch ...
M2(CO)8 mit
M = d9 = Co, Rh, Ir:
Für die Elektronenbilanz ergibt sich hier:
2 Co |
* 9 (d9) |
= |
18 e- |
8 CO |
* 2 e- |
= |
16 e- |
1 M-M-Bindung |
* 2 e- |
= |
2 e- |
|
Summe: |
|
36 e-/2M = 18 |
Die entsprechende Betrachtung der isolobalen Fragmente ergibt die
Aufspaltung in zwei Teilfragmente d9-ML4, die
wiederum isolobal zu CH3 sind und damit die M-M-Einfachbindung bedingen.
In den Strukturen werden wieder diverse Möglichkeiten der Ligandenanordnung beobachtet.
Für M=Co liegt in Lösung keine CO-Brücke vor, während in der Festkörperstruktur
zwei Carbonyl-Liganden die Metall-Metall-Bindung überbrücken.
2. Halogenide (und Komplexe) der frühen Übergangsmetalle
Bei den Halogenido-Komplexen der frühen Übergangsmetalle herrscht
ein noch stärkerer Elektronenmangel, so dass nun auch M-M-Mehrfachbindungen
auftreten. Trotzdem bleiben die Komplexe Elektronendefizitär ?? Hierzu zwei Beispiele:
- [M2X6] für Md3 = Mo2+
und X=OR-
Es liegt eine Dreifachbindung zwischen den Mo-Ionen vor. Es handelt sich um
12-Elektronenfragmente! kann locker noch einen Liganden aufnehmen, was auch
leicht geht
F¨r die Struktur gibt es verschiedene Möglichkeiten der Ligandenanordnung.
Aus MO-Betrachtungen kann man belegen, dass die Liganden X staggered
angeordnet sind.
- [ReIII2Cl8]2-
[ReIII2(CH3)8]2-,
dazu isostrukturell und isoelektronisch ist z.B. [(Cr/Mo)2(CH3)8]4-
Die Elektronenbilanz geht auch hier nicht auf
(d4 + 8 von L = 12 + 1 Ldg = 13 e, der beobachtete vom Abstand zeigt eine Vierfachbindung.
Mit einer MO-Betrachtung (s. Lehrbücher, kommt noch) kann man zeigen, dass
die Anordnung der 2x4 Liganden 'eclipsed' ist.
M3
Die drei Metallatome bilden im allgemeinen ein gleichseitiges Dreieck. Es
sind jedoch aus einige Beispiele mit Ketten aus drei Metallatomen bekannt,
die hier nicht berücksichtigt werden sollen.
Für die Zahl der Elektronen ergibt sich bei Annahme von drei
Einfachbindungen auf den Kanten eine Gesamtelektronenzahl von 48 (3*18-6).
Allgemein ergeben sich für die nötige Summe an Elektronen:
3*18 - 2*m (mit m: Zahl der M-M-Bindungen)
Wie bereits bei den M2-Clustern erwähnt, sind bei den frühen
Übergangsmetallhalogeniden bzw. bei d4-Elektronenkonfiguartion
auch Doppelbindungen möglich, z.B.
sind bei einer Doppelbindung im Ring 46 (54-8), bei zwei Doppelbindungen 44 (54-10)
und bei drei Doppelbindungen nur 42 (54-12) Elektronen im Cluster nötig.
1. Carbonyle der späten Übergangsmetalle
M3(CO)12 mit
M = d8 = Fe, Ru, Os:
Die Elektronenbilanz ergibt sich hier nach der 18-e--Regel
für den ganzen Komplex:
3 Fe |
* 8 (d8) |
= |
24 e- |
12 CO |
* 2 e- |
= |
24 e- |
3 M-M-Bindung |
* 2 e- |
= |
6 e- |
|
Summe: |
|
54 e-/3M = 18 |
Das Fragment d8-ML4 ist isolobal zu CH2,
d.h. der gesamt Komplex ist vergleichbar mit Cyclopropan.
Für die Struktur beobachtet man unterschiedliche Möglichkeiten der Ligandenanordnung:
In Fe3(CO)12, wo die
Festkörperstruktur allerdings fehlgeordnet ist, trägt nur eines der Eisenatome
vier CO-Liganden, die beiden anderen sind nur von drei terminalen und zwei
verbrückenden CO-Liganden koordiniert. Dagegen trägt in
Ru3(CO)12 jedes Ru-Atom
vier terminale Liganden.
2. Halogenide der frühen Übergangsmetalle
M3-Cluster treten z.B. auch bei den Re- und Nb-Halogeniden, z.B. in
Re3X9 auf. Da das Verhältnis X/M drei sogar kleiner ist,
sind die Cluster in diesen Verbindungen über Halogenatome kondensiert.
Eine ganze Reihe von Verbindungen ist nicht elektronenpräzise, einige lassen
sich unter Annahme von M-M-Mehrfachbindungen interpretieren:
Re3X9:
Die Halogenide sind diamagnetisch und sind als elektronenpräzise Cluster
zu verstehen, wenn auf jeder Dreieckskante eine Doppelbindung angenommen
wird. Diese Annahme ist vereinbar mit dem Re-Re-Abstand von nur 249 pm (zum Vergleich:
der Abstand im Metall beträgt 274 pm).
Für die Berechnungen der Elektronenbilanzen in Halogeniden gibt es immer
zwei Möglichkeiten: Entweder werden die Verbindungen ionisch zerlegt (X
ist dann ein Zweielektronendonator) oder man
rechnet mit Neutralteilchen (X ist dann ein Einelektronenligand).
Wenn man den Cluster als ganzes betrachtet, führen
beide Rechnung selbstverständlich zum gleichen Ziel.
Damit ergeben sich (bei Annahme von Neutralteilchen)
für Re3X9
3 * 7 (d7-Metall) - 9 (Cl) = 12
drei Doppelbindungen (3*4 Elektronen) zwischen den Metallatomen.
Die einzelnen Halogenide unterscheiden sich in ihren Strukturen:
Für X = I ( Re3I9)
sind die Cluster isoliert mit drei verbrückenden I-Liganden;
für X = Cl oder Br (Re3Cl9)
sind die Cluster über X-Brücken zu Schichten verknüpft.
Nb3X8:
Im Unterschied dazu ist Nb3X8
ein paramagnetischer Halbleiter und damit offensichtlich auch von den
Eigenschaften nicht mehr elektronenpräzise.
Die Nb3Br8(Cluster)
sind über Kanten zu
Schichten verknüpft, so dass
eine verzerrte BiI3-Struktur vorliegt.
M4
Zwischen vier Metallatomen können bis zu maximal sechs Bindungen, d.h. ein Tetraeder,
ausgebildet werden. Es sind keine Beispiele mit Doppelbindungen zwischen den Metallatomen
mehr bekannt, so dass sich hier und für alle folgenden Cluster die Rechnungen erheblich
vereinfachen. Halogenide der frühen Übergangsmetallatome (Clusterverbindungen vom Typ 2)
sind hier nicht bekannt, so
dass sich die Beispiele auf Carbonyl-Komplexe der späten Übergangsmetalle (Gruppe 1)
beschränken.
Nach der Zahl der M-M-Bindungen bzw. der daraus resultierenden
geometrischen Anordnung der Metallatome kann man unterscheiden:
Tetraeder
M4(CO)12 mit
M = d9 = Co, Rh, Ir:
Die Elektronenbilanz ist hier:
4 Co |
* 9 (d8) |
= |
36 e- |
12 CO |
* 2 e- |
= |
24 e- |
6 M-M-Bindung |
* 2 e- |
= |
12 e- |
|
Summe: |
|
72 e-/4M = 18 |
Nach der Isolobalbeziehung ist das Fragment d9-ML3
vergleichbar mit CH bzw. mit P, d.h. der Komplex vergleichbar mit dem weißen Phosphor
P4.
Wieder gibt es bei den Strukturen diverse Möglichkeiten der Ligandenanordnung.
Für M = Co und Rh
(hier Rh4(CO)12)
sind drei CO-Liganden verbrückend,
während der Ir-Cluster keine CO-Brücken aufweist und jedes Ir drei
terminale CO-Liganden trägt.
... durch formale ´Aufnahme' von zwei CO-Liganden und
´Abgabe´ von vier Elektronen
(durch Übergang von d9- zu d8-Metallen)
bleiben die Komplexe isoelektronisch ...
M4(CO)14 mit
M = d8 = Os:
Die Elektronenbilanz ist hier:
4 Os |
* 8 (d8) |
= |
32 e- |
14 CO |
* 2 e- |
= |
28 e- |
6 M-M-Bindung |
* 2 e- |
= |
12 e- |
|
Summe: |
|
72 e-/4M = 18 |
In der Struktur der Os-Verbindung
Os4(CO)14
tragen zwei Os-Atme vier und zwei Os-Atome der Carbonyl-Liganden.
Neben Tetraeder mit durch Liganden überkappten Kanten gibt es auch
eine Reihe von Komplexen, bei denen Liganden über den Dreieckflächen
sitzen und damit zu drei Metallatomen koordinieren (mu3-Ligand).
Ein Beispiel ist der Komplex
[Fe4(MU-C5H5)4(MU3-(CO)4].
Wie die Elektronenbilanz (neutrale Rechnung) zeigt:
4 Fe |
* 8 (d8) |
= |
32 e- |
4 CO |
* 2 e- |
= |
8 e- |
4 C5H5 |
* 5 e- |
= |
20 e- |
6 M-M-Bindung |
* 2 e- |
= |
12 e- |
|
Summe: |
|
72 e-/4M = 18 |
(alternative Rechnung: Fe+ (d7) und cp-, 6-Elektronen)
ist der Cluster elektronenpräzise und gehorcht der 18-Elektronenregel. Durch
die geringe Zahl der Liganden folgt die Flächenüberkappung.
... durch formale ´Aufnahme' eines CO-Liganden und
Spaltung einer M-M-Bindung (Tetraeder -> Butterfly)
wird die 18-Elektronenregel eingehalten ...
Butterfly
Wenn nur noch fünf M-M-Bindungen ausgebildet werden müssen,
dann bilden die vier Metallatome ein einseitig geöffnetes Tetraeder, oder
ein Viereck mit einer Bindung über der Fläche.
M4(CO)15 mit
M = d8 = Os:
Die Elektronenbilanz:
4 Os |
* 8 (d8) |
= |
32 e- |
15 CO |
* 2 e- |
= |
30 e- |
5 M-M-Bindung |
* 2 e- |
= |
10 e- |
|
Summe: |
|
72 e-/4M = 18 |
geht wieder auf.
In der Struktur
von Os4(CO)15
tragen drei Os-Atome vier und ein Os-Atome nur drei Carbonyl-Liganden.
... durch formale 'Aufnahme' eines CO-Liganden und
Spaltung einer M-M-Bindung (Butterfly -> Viereck)
wird die 18-Elektronenregel eingehalten ...
Viereck
Hier werden dann nur noch vier M-M-Bindungen ausgebildet,
die vier Metallatome sind also im Viereck angeordnet.
M4(CO)16 mit
M = d8 = Os:
Die Elektronenbilanz geht natürlich wieder auf:
4 Os |
* 8 (d8) |
= |
32 e- |
16 CO |
* 2 e- |
= |
32 e- |
4 M-M-Bindung |
* 2 e- |
= |
8 e- |
|
Summe: |
|
72 e-/4M = 18 |
Die Struktur
von Os4(CO)16
ist sehr hochsymmetrisch, alle Os-Atome tragen vier Liganden.
Die Carbonylkomplexe der späten Übergangsmetalle sind also bis zu den Vierkernkomplexen
mit der 18-Elektronenregel strukturell erklärbar. Für sphärische (!)
Cluster Mx (vor allem x = 5 - 6)
müssen fast immer die erweiterten Wade-Regeln zur Erklärung herangezogen
werden.
M5
Die trigonale Bipyramide ist hier die wichtigste M-Anordnung.
Os5(CO)16
In der Kristallstruktur
ist zu erkennen, dass vier Os-Atome dreifach und ein Os-Atom vierfach
von Carbonyl-Liganden koordiniert ist. Die 18 Elektronenregel wird hier
nicht mehr erfüllt, eine Elektronenbilanz läßt sich nur
unter der Annahme von Dreizentren-Zweielektronen-Bindungen nach den
erweiterten Wade-Regeln berechnen.
Hierzu wird zunächst das isoelektronische Dianion (- ein CO), d.h.
[Os5(CO)15]2- gebildet.
Die fünf Os-Ecken Os(CO)3 (d8-ML3)
des Clusters werden damit isolobal zu BH-Fragmenten, so dass der
gesamt Cluster dem Dianion B5H52- entspricht,
für das nach Wade eine closo-Form errechnet werden kann.
M6
Die wichtigste geometrische Anordnung der sechs Clusteratome ist das
Oktaeder. Verbindungen mit
oktaedrischen Clustern gibt es sowohl bei den Carbonylen
der späten Übergangsmetalle (Gr. 1) als auch bei den Halogeniden und
Oxiden der frühen Übergangsmetalle (Gr. 2). Für beide Gruppen gibt
es Beispiele für elektronenpräzise Cluster und Verbindungen
mit z.T. gravierenden Abweichungen von der idealen Elektronenzahl.
1. Carbonyle der späten Übergangsmetalle
.... hier fehlt noch was ..... (jede Menge Carbonyle) ... aber viel spannender sind ja auch ....
2. Halogenide/Oxide/Sulfide der frühen Übergangsmetalle
Die 'Subhalogenide' der frühen Übergangsmetalle zeigen eine faszinierende
Strukturvielfalt. Dabei kommen vor allem zwei Grundbaueinheiten vor, die beide
auf Oktaedern basieren:
- Würfel M6X8:
Liganden über allen sechs Oktaederflächen, unten mit W abgekürzt
- Kuboktaeder M6X12:
Liganden über allen zwölf Oktaederkanten, unten mit KO abgekürzt
Diese sind mit fallendem X/M-Verhätnis
immer heftiger miteinander verknüpft (s. die ganzen VRMLs
in der folgenden Tabelle). Man kann die Strukturen also immer
entweder mit den Oktaedern oder mit den o.g. Grundbaueinheiten darstellen. Enjoy!
Die Chevrell-Phasen sind dabei auch von ihren Eigenschaften
sehr interessant. TT-SL, aber mit hohem kritischem H.
Mx mit x > 6 (erweiterte Cluster)
Die Clustererweiterungen entstehen, indem weitere Metallatome über die Dreiecksflächen gesetzt werden.
Wenn man das nur weit genug treibt, kommt man (bei Füllung!) zu Salzen (NaCl-Struktur), wenn
die Cluster brav leer bleiben zu den einfachen Metallpackungen.
- Os6(CO)18 (vier Tetraeder, also ein doppelt erweitertes Tetraeder)
- Os7(CO)21 (Oktaeder + Tetraeder, oder besser ein einfach erweitertes Oktaeder)
- [Os10C(CO)40H2] (H fehlgeordnet!) (Oktaeder + vier Tetraeder, bzw.
vierfach erweitertes Oktaeder). vgl. dichte Packungen !!
- [Os20(CO)40]2- und wieder ... vgl.
Metallpackungen. Nicht mehr weit bis zu Nano-Partikeln (z.B. bei Kats), die mit CO 'belegt' sind.
Gesammelte VRMLs
M3
M4
M5
M6
(nach fallendem X/M-Verhätnis = steigender Konnektivität)
s.o.
gefüllt
Clustererweiterungen Mx mit x > 6
s.o.