Vorlesung Chemie der Metalle
2. Alkalimetalle (1. Hauptgruppe: Li, Na, K, Rb, Cs)
2.4. Oxide
Die Alkalimetalle bilden sehr unterschiedliche Gruppen von Sauerstoffverbindungen.
Bereits bei der einfachen Verbrennung der Alkalimetalle mit Sauerstoff
(an Luft entsteht bei Lithium auch das Nitrid!) zeigt sich die Vielfalt möglicher Oxide:
- Li: verbrennt zu Li2O und etwas Li2O2
- Na: bildet Na2O2 und etwas Na2O
- K, Rb und Cs verbrennen zu MO2, aber
unter anderen Bedingungen lassen sich von allen drei schweren Alkalimetallen
die Verbindungen M2O, M2O2 und MO2 und
z. T. auch MO3 darstellen.
- Bei geringen Sauerstoffpartialdrücken bilden sich bei Rb und
Cs zunächst verschiedene Suboxide.
Zu den drei wichtigen Gruppen von Oxiden:
- In 'normalen' Oxiden liegen die Ionen M+ und O2- nebeneinander
vor, d.h. die Zusammensetzung dieser Verbindungen ist MI2O.
Die zugehörigen Strukturen können meist als Antitypen der Ionenkristalle
MIIX2 betrachtet werden: Fast alle kristallisieren
in der
anti-CaF2-Struktur,
nur Cs2O bildet den
anti-CdCl2-Typ.
Die Herstellung dieser Oxide gelingt im Fall von Lithium (und eingeschränkt von
Natrium und Kalium) durch Verbrennung der Elemente direkt an der Luft. Beim Lithium
entsteht dabei zusätzlich das tiefdunkelrote Nitrid, Li3N.
⚗ Verbrennung von Lithium an Luft, Nachweis des Nitrids (Ammoniak)
(53MB|MP4|H264) |
|
- Peroxide, Hyperoxide, Sesquioxide und Ozonide sind
Verbindungen mit M+-Kationen und Sauerstoff-Anionen mit Oxidationsstufen kleiner als -II, d. h.
mit O-O-Bindungen:
- Peroxide mit O22--Ionen,
- Hyperoxide (Superoxide) mit O2--Ionen,
- Sesquioxide mit O22-- neben O2--Ionen und
- Ozonide mit Ozonid-Ionen O3-.
Bei allen Verbindungen steigt die Stabilität mit dem elektropositiven Charakter
des Kations, so dass Verbindungen dieser Art
generell nur von den elektropositiven Alkali- und z.T. auch den Erdalkalimetallen bekannt sind.
Eine Übersicht über diese Verbindungsklasse gibt Tabelle 2.4.1.
Formel |
Name |
Anion |
dO-O |
Beispiel |
Darstellung (Farbe) |
MI2O2 |
Peroxide |
O22- |
149 |
Na2O2 |
Na, (K): Verbrennen der Elemente an Luft |
MIO2 |
Hyperoxide (Superoxide) |
O2- |
133 |
KO2 |
K, Rb, Cs: Verbrennen der Elemente an Luft |
MI4O6 |
Sesquioxide |
O22- und O2- |
. |
K4O6 |
(schwarz) |
MIO3 |
Ozonide |
O3- |
135 |
RbO3, CsO3 |
Umsetzung der Hydroxide mit Ozon (orange/rot) |
Tab. 2.4.1. Übersicht zu Alkalimetalloxiden, die O-O-Bindungen enthalten
Zu den einzelnen Verbindungsgruppen:
- Die Peroxide enthalten das Ion O22-
mit einem einer O-O-Einfachbindung entsprechenden Abstand von 149 pm
(Isosterie zu den Halogenen).
Sie sind als Salze der zweibasigen Säure H2O2
aufzufassen und reagieren entsprechend unter einfacher Hydrolyse mit Wasser zu Wasserstoffperoxid.
Alkalimetallperoxide M2O2 sind von allen Alkalimetallen bekannt.
Es handelt sich um weiße bis gelbliche Feststoffe, die mit der Ausnahme von
Li2O2 bis zu hohen Temperaturen stabil sind.
Sie lassen sich auf unterschiedliche Weise herstellen:
- Li2O2 läßt sich aus LiOH und
H2O2 herstellen.
- Na2O2 entsteht bei der einfachen Verbrennung von Natrium.
⚗ Verbrennung von Natrium, Nachweis der Peroxid-Ions mit Titanyl-Sulfat
(40MB|MP4|H264) |
|
- Die Peroxide der schwereren Alkalimetalle lassen sich durch Oxidation der Metalle in
flüssigem Ammoniak gewinnen.
Na2O2 findet vielfach als Bleichmittel Verwendung.
Die Na- und die Li-Verbindung können in Atemgeräten eingesetzt werden,
da sie nach
Na2O2 + CO ⟶ Na2CO3
bzw.
Na2O2 + CO2 ⟶ Na2CO3 + 1/2 O2
sowohl CO binden, als auch mit CO2 Sauerstoff entwickeln.
Die Strukturvielfalt in dieser Gruppe ist relativ groß (s. Kap. 3.1. der Vorlesung
Strukturchemie der Oxide).
- Die Hyperoxide (auch Superoxide) enthalten das paramagnetische
Ion O2- mit einem ungepaarten Elektron.
Der O-O-Abstand entspricht mit 128 pm einer Bindungsordnung von 1.5 und
ist damit z.B. vergleichbar mit dem im Ozon. Der
Sauerstoff-Sauerstoff-Abstand im Element O2 beträgt dagegen 121 pm.
Die Alkalimetallsuperoxide MO2 sind von allen
Alkalimetallen außer Lithium bekannt.
NaO2 läßt sich aus den Elementen nur unter Druck rein
darstellen, während die der schwereren Metalle bei der Oxidation der
Metalle direkt gebildet werden.
Die Hyperoxide disproportionieren in Wasser gemäß
2 -0.5O2- + 2 H2O ⟶
O02 + H2O-12 + 2 O2-H-
Ihre Strukturchemie ist in Tabelle 2.4.2
zusammengefaßt. Bei den Hochtemperaturphasen sind meist die Anionen fehlgeordnet, bei
niedrigeren Temperaturen ordnen sie aus und bilden bekannte Strukturtypen wie
den Calciumcarbid-, den Pyrit- oder den Markasit-Typ (s.u.).
Verbindung |
Farbe |
Modifikation |
T-Bereich |
Struktur |
GIF |
NaO2 |
weiss |
α |
< -77 oC |
Markasit (FeS2) |
|
β |
-77 bis -50 oC |
Pyrit (FeS2 |
|
γ |
> -50 oC |
NaCl (fehlgeordnete O2) |
|
KO2 |
gelb, s. Abb. 2.4.1. |
für alle drei schwereren Alkalimetalle |
RT |
CaC2-Typ |
|
RbO2 |
braun |
CsO2 |
orange |
HT |
NaCl (fehlgeordnete O2) |
Tab. 2.4.2. Übersicht zu Alkalimetall-Hyperoxiden
|
Abb. 2.4.1. Kaliumperoxid, KO2.
|
- Die Sesquioxide
enthalten die Anionen der Peroxide und Hyperoxide
nebeneinander (O22- und
O2-).
Die Verbindungen der Zusammensetzung M4O6
entsprechend
MI4(O2-)2(O22-)
sind nur für M = Rb und Cs bekannt. Die schwarzen paramagnetischen Substanzen
kristallisieren in der kubischen anti-Th3P4-Struktur.
Da die Positionen der Ionen O2- und
O22- symmetrieäquivalent sind, sind sie im Kristall
nicht unterscheidbar.
- Ozonide
enthalten das Ozonid-Ion O3-.
MI-Ozonide MO3 sind nur für die schwereren
Alkalimetalle Kalium, Rubidium und Caesium bekannt. Die Verbindungen bilden orange-rote Kristalle,
die sich aus O3 und dem Hydroxid herstellen lassen.
Ozonide disproportionieren in Wasser gemäß:
2 -1/3O3- + H2O ⟶
5/2 OO2 + 2 OH-
- Suboxide
sind Sauerstoff-arme Oxide von Rubidium und Caesium, die sich nicht nach
ionischen Formulierungen verstehen lassen und für die entsprechend formal sehr kleine
Oxidationsstufen für die Alkalimetallatome M resultieren.
Die Alkalimetallsuboxide sind
niedrig schmelzende, meist farbige bis metallisch glänzende Phasen, die
sich aus dem Metalloxid und dem Metall herstellen lassen.
Die Eigenheiten der Strukturen sind das Vorliegen von
ionischen Teilstrukturen (Cluster) in metallischer Matrix.
Die Strukturen enthalten salzartige Bereiche, d.h. oktaedrisch koordinierte
O2--Ionen. Diese Oktaeder sind über gemeinsame Flächen zu Clustern
kondensiert. Zwischen den Clustern liegen metallische Verhältnisse vor,
die sich z.B. in den großen M-M-Abständen (vergleichbar den
Abständen in den reinen Metallen) manifestieren.
Die bekannten Verbindungen und die darin enthaltenen Cluster zeigt Tabelle 2.4.3.
Cluster |
Formel |
Verbindung |
formale Zerlegung |
Farbe |
Mp |
Bildchen |
zwei flächenverknüpfte Oktaeder |
M9O2 |
Rb9O2 |
- |
kupferfarben |
40.2oC |
Rb6O |
2*: ↝ 3 M + M9O2 |
bronzefarben |
Zp: 7 oC |
|
drei flächenverknüpfte Oktaeder |
M11O3 |
Cs11O3 |
- |
violett |
52oC |
|
Cs4O |
3*: ↝ M + M11O3 |
rotviolett |
Zp=10oC |
Cs7O |
3*: ↝ 10 M + M11O3 |
bronzefarben |
4.3 oC |
Oktaederketten |
M3O |
Cs3O |
anti-ZrI3-Typ |
blaugrün |
Zp=166 oC |
|
Tab. 2.4.3. Übersicht Suboxide
Alle Rubidium-Suboxide enthalten demnach Cluster Rb9O2 aus
zwei über eine gemeinsame Fläche kondensierten Oktaedern, in den meisten
Caesium-Suboxiden liegt ein Cluster der Zusammensetzung Cs11O3
vor, der aus drei über drei gemeinsame Flächen und eine gemeinsame Kante
verknüpften [OCs6]-Oktaedern aufgebaut ist.
Cs3O kristallisiert im anti-ZrI3-Typ und enthält Stränge
flächenverknüpfter Sauerstoff-zentrierter Cs-Oktaeder.
Ähnliche ungewöhnliche Verbindungen wie die Suboxide der schweren Alkalimetalle
gibt es z.B. bei den Na-Ba-Subnitriden. Die Verbindungen sind nicht nur aufgrund
ihrer ungewöhnlichen Bindungssituation, sondern auch anwendungstechnisch
interessant und werden wegen der geringe Austrittsarbeit für Elektronen z.B.
in IR-Detektoren eingesetzt.
Weitere Details zur Strukturchemie der Sauerstoffverbindungen der Alkalimetalle sind
in der Vorlesung Strukturchemie der Oxide in
den Abschnitten 3.1.
und 3.2. zu finden.