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Vorlesung Strukturchemie der Oxide

5. Komplexe Oxide: Beispiel AB2O4


Anhand von Verbindungen der allgemeinen Formel AB2O4 soll exemplarisch für eine Zusammensetzung gezeigt werden, wie sich in Abhängigkeit von den Ionenradien von A und B die jeweils auftretenden Strukturtypen unterscheiden. Die Zusammensetzung wurde gewählt, weil sie (neben den Oxiden ABO3) die wichtigsten ternären Oxide einschließt, zugleich aber noch überschaubar bleibt. Zu dieser Verbindungeklasse gehören z.B. geologisch und technisch wichtige Oxide wie z.B. Eine ganze Reihe von Oxiden dieser Reihe bildet in Abhängigkeit von Druck und Temperatur mehrere Phasen, so dass auch die Betrachtung strukturbestimmender thermodynamischer Faktoren (z.B. bei Na2SO4) möglich wird.

Das Strukturfeld in Abbildung 5.1. zeigt die verschiedenen Vertreter der neun grundlegenden Strukturtypen in Abhängigkeit von den Ionenradien von A und B. Isotype Verbindungen befinden sich jeweils in bestimmten Bereichen (Feldern) des Diagramms (daher die Bezeichnung 'Strukturfelddiagramm').

Erläuterungen:

  1. Anklicken der Feldnummern verweist auf die Details der Strukturen und die Beschreibung der unterschiedlichen Vertreter.
  2. Anklicken des grauen Randes verweist auf die vergrößerte Version des Diagramms.
  3. Alle Kationen A und B sind in den Darstellungen unten z.T. mit Koordinationspolyedern, z.T. nur als Kugeln dargestellt.
  4. Die Koordinationspolyeder bzw. Kugeln der weniger häfigen Kationen A sind dabei rot, die der doppelt so häufigen B-Kationen blau dargestellt.
5.1. Strukturfeld der Oxide der allgemeinen Zusammensetzung AB2O4 SVG

Betrachtet man zunächst nur die Koordinationszahlen der Kationen A und B (ohne die Strukturtypen genauer zu differenzieren), so lassen sich drei Gruppen von Strukturtypen unterscheiden (Die Koordinationszahlen sind als hochgestellte römische Zahlen angegeben):


Die einzelnen Strukturtypen

1. β-K2SO4-Typ

Der orthorhombische β-K2SO4-Typ (entsprechend B2AO4) wird bei kleinem Ionen A und sehr großen Ionen B ausgebildet. Entsprechend der Formel KXKIXSIVO3VIOV sind die großen B-Kationen von 9 bzw. 10 O-Nachbarn umgeben. A ist tetraedrisch koordiniert. Für die Oxid-Ionen ergeben sich Koordinationszahlen von 4 und 5.
Der β-K2SO4-Typ ist ein sehr weit verbreiteter Strukturtyp. Die Struktur enthält isolierte [SO4]2--Tetraeder und zwei kristallographisch verschiedene K-Positionen mit CN 9 bzw. CN 10 gegen Sauerstoff.
Die Struktur wird bei Oxiden verschiedener Typen beobachtet:

Formel B21+A6+O4 B22+A4+O4 B1+B2+A5+O4 B1+B3+A4+O4
Beispiel K2MnO4 Eu2SiO4 KBaPO4 NaYSiO4

Er ist auch bei Sulfiden, Seleniden und Halogeniden häufig. Die [AO4]-Tetraeder sind nahezu unverzerrt. Ausnahmen sind z.B. Cs2CuBr4, wo die [CuO4]-Tetraeder Jahn-Teller-verzerrt sind (Tetraederwinkel: 100-130 o). Verwandt mit dem β-K2SO4-Typ ist der Na2SO4-I -Typ, der von Na2SO4 oberhalb von 241 oC eingenommen wird. Hier sind die [SO4]-Tetraeder Rotations-fehlgeordnet. Dieser Typ ist bei Hochtemperaturphasen recht häufig. Die Vertreter dieser Strukturtypen verfügen z.T. über große Lösungsbereiche, z.B. sind Ag2SO4 und Rb2SO4 lückenlos miteinander mischbar. Weitere ähnliche Strukturen sind Sr2CrO4, α-Ca2SiO4 und Na2CrO4.

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4. Na2SO4-V (Thenardit)

Die Thenardit-Struktur (Raumtemperaturform von Na2SO4) liegt bei etwas kleinerem B (kleiner 130 pm) vor. Die Koordinationszahl von B ist hier zwar 6, jedoch ist sie nicht oktaedrisch. Zwischen isolierten [SO4]2--Tetraedern sind die Natriumionen in verzerrt trigonal-prismatischer Umgebung eingelagert.

Beispiele für diesen Strukturtyp sind, neben der Raumtemperaturform von Na2SO4, Na2SeO4, Ag2SO4 und Cd2SiO4.

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2. K2NiF4

Der K2NiF4-Typ liegt bei größeren Ionenradien von A (> 60 pm, im Bereich der Oktaederkoordination für A) und bei recht großen (> 120 pm) Radien von B. Die Struktur besteht aus [AO6]-Oktaedern, die über vier Ecken zu Schichten [AO4/2O2] (nach Niggli) verknüpft sind. Die zwischen die Schichten eingelagerten B-Ionen weisen eine Koordinationszahl von 9 gegen Sauerstoff auf. Der K2NiF4-Typ kann auch als 'Intergrowth' von Perowskit- und NaCl-Typ beschrieben werden. Entsprechend sind Verbindungen mit anderen Stapelfolgen bekannt:

  • 1 SrTiO3 + SrO ⟶ Sr2TiO4
  • 2 SrTiO3 + SrO ⟶ Sr3Ti2O7
  • 3 SrTiO3 + SrO ⟶ Sr4Ti3O10

Der Strukturtyp ist (vor allem bei den Halogeniden) weit verbreitet, wird aber auch bei vielen Oxiden beobachtet:

Formel B22+A4+O4 B21+A6+O4 B23+A2+O4 B2+B3+A3+O4
Beispiel B = Ca, Sr, Ba, Eu; A = Pb, Sn, Ti und viele TM4+ Rb2UO4 (verzerrt) La2NiO4 SrDyCrO4

Abgeleitete Varianten sind:

  • verzerrte Variante: B2UO4 (mit B = K, Rb, Cs) in denen Uranyl UO22+ vorgebildet ist.
  • Defektvariante: Sr2CuO3 und Sr2PdO3 (ein Oxid-Ion fehlt).
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3. Sr2PbO4

Bei größeren A- und B-Kationen tritt der Sr2PbO4-Typ auf (mit Angaben der Koordinationszahlen: Sr2VIIPbVIOV4). Die Struktur besteht aus [PbO6]-Oktaedern, die über gemeinsame Kanten zu Strängen verbunden sind (nach Niggli: [PbO2O4/2]) und zwischen denen sich die Sr2+-Ionen (CN=7) befinden. Beispiele für diesen Strukturtyp sind (Ca,Sr,Cd)2(Pb,Sn)O4 und Cd2PtO4. Sehr ähnlich ist die Struktur von Ca2IrO4, in der aber drei verschiedene Koordinationszahlen für B vorliegen.

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8. CaFe2O4

Der CaFe2O4-Typ mit Koordinationszahlen von 6 und 8 (CaIXFe2VIO4V) tritt dann auf, wenn A groß und B von mittlerer Größe ist. Die Struktur besteht aus [FeO6]-Oktaedern, die über Ecken und Kanten zu einem dreidimensionalen Netzwerk verknüpft sind, wobei Doppelstränge aus Oktaedern vorliegen. (Diese Doppelstränge verlaufen in obiger Abbildung aus der Tafelebene heraus). Jedes Oxid-Ion ist an drei Oktaedern beteiligt, nach Niggli also [FeO6/3]. In den Kanälen sind die Ca-Ionen (CN=9) eingelagert. Der CaFe2O4-Typ kommt vor allem bei Verbindungen A2+B23+O4 (z.B. SrY2O4) aber auch bei Verbindungen A1+B3+B4+O4 (z.B. NaAlGeO4) vor. Neben den Beispielen, in denen B die oktaedrische Koordination einnimmt, gibt es mit MgSc2O4 auch ein Beispiel mit invertierter Verteilung (Mg- und die Hälfte der Sc-Atome in Oktaederkoordination, die andere Hälfte der Sc auf den Ca(=A)-Position).

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9. BaAl2O4

Der hexagonale BaAl2O4-Typ liegt vor, wenn A sehr groß (>120 pm) und B sehr klein (< 60 pm) ist. Die Struktur besteht aus [BO4/2]-Tetraedern, die über alle Ecken verknüpft sind. Die B-Kationen befinden sich in den Hohlräumen und sind von 12 Oxid-Ionen koordiniert (gestopfter Tridymit).

Beispiele für Verbindungen dieses Typs sind

  • BaFe2O4
  • CaAl2O4
  • KAlSiO4
  • KNa3Al4Si4O16 und
  • NH4LiSO4.
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6. Be2SiO4 (Phenakit)

Wenn die Ionen A und B beide sehr klein sind, kommen sie beide nur in tetraedrischer Koordination gegen Oxid-Ionen vor (Be2SiO4, Phenakit). Damit ergibt sich als Formel Be2IVSiIVO4. Die Struktur läßt sich als drei-dimensionales Netzwerk aus [(Be,Si)O4]-Tetraedern beschreiben. Jede O-Polyederecke gehört zu drei Tetraedern, von denen jeweils eines ein [SiO4]-Tetraeder ist (nach Niggli: [(Be/Si)O4/3]) Es resultiert eine Gerüststruktur, die deutlich weniger offen ist als die der SiO2-Modifikationen. Es bleiben jedoch Kanäle [001] um die c-Achse der rhomboedrischen Struktur.

Beispiele für diesen Strukturtyp sind Li2WO4, Al23+Cd2+O4 und LiAlGeO4.

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Die letzte (und wichtigste !) Gruppe von Verbindungen mit vergleichsweise kleinen A- und B-Kationen lassen sich über dichte Packungen der O2--Ionen beschreiben, in denen die Hälfte aller oktaedrischen und 1/8 aller tetraedrischen Lücken besetzt sind. Olivin ⑤ (h.c.p.-Packung der Anionen) und Spinell ⑦ (f.c.c.-Packung der Anionen) sind die wichtigsten Vertreter der Oxide AB2O4 überhaupt.

5. Mg2SiO4 (Olivin)

Olivin (Gesamtstruktur und eine einzelne Schicht) ist der allgemeine Name für die Verbindungen der Mischungsreihe Mg2SiO4 (Forsterit) - Fe2SiO4 (Fayalit). Mit Kennzeichnung der Koordinationszahlen gilt: Fe2VISiIVO4IV. Die Struktur besteht aus einer hexagonal dichten Packung (h.c.p.) von O2--Ionen, in denen die A-Kationen (Si) die Tetraederlücken und die B-Kationen (Fe) die Oktaederlücken besetzen. Die dichten Schichten (Stapelfolge |:AB:|) verlaufen senkrecht [100] in der orthorhombischen Elementarzelle (Aufsicht s. unten links). Die Oktaeder sind über Kanten zu Stränge (mit weiteren ankondensierten Oktaedern) verknüpft. Die Schichten sind um 1/2 in b versetzt so übereinander angeordnet, dass sich keine gemeinsamen Flächen zwischen den Oktaedern ergeben. Die zwei kristallographisch verschiedenen B-Positionen sind im Olivin durch Mg2+ und Fe2+ z.T. statistisch besetzt, z.T. auch ausgeordnet.

Die Struktur wird bei Oxiden verschiedener allgemeiner Typen beobachtet:

Formel B22+A4+O4 B23+A2+O4 B2+B3+A3+O4 B1+B2+A5+O4 B1+B3+A4+O4
Beispiel (Ca,Mn,Fe,Co,Mg)2(Si/Ge)O4 Al2BeO4 MgAlBO4 LiMgVO4 LiYSiO4

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7. MgAl2O4 (Spinell)

Die Kristallstruktur des Spinells läßt sich analog der des Olivins beschreiben, nur dass eine f.c.c.-Packung der O2- vorliegt (Stapelfolge |:ABC:|); auch hier sind die Hälfte der Oktaeder- und ein Achtel der Tetraederlücken besetzt. Der Spinelltyp ist der häufigste Strukturtyp der Verbindungen AB2O4. Die Koordinationsoktaeder um B sind über zwei Kanten zu Strängen verknüpft, die kreuzweise übereinander liegen. In diesem Netzwerk befinden sich die [MgO4]-Tetraeder, die voneinander isoliert sind und mit je drei Oktaedern verknüpft sind. Wie beim Olivin liegen auch hier keine gemeinsamen Flächen zwischen den Polyedern vor.
Weitere Abbildungen zur Spinell-Struktur s. Kap. 4.4. der Vorlesung Chemie der Metalle.

Die Struktur wird bei Oxiden verschiedener Typen beobachtet:

Name (2,3)-Spinelle (4,2)-Spinelle (6,1)-Spinelle
Formel A2+B23+O4 A4+B22+O4 A6+B+O4
Beispiele A = Mg, Mn, Co, Ni, Cu, Zn; B = Al, Cr, Fe TiMg2O4, WNa2O4, PbFe2O4 MoGa2O4
80% aller Verb. 15% aller Verb. ca. 5%

Nach dem Besetzungsverhältnis lassen sich weiter unterscheiden:

  • Normalspinell: AtB2oO4
  • Inversspinell: Mt[AB]oO4
  • Verbindungen dazwischen werden durch den Inversionsgrad i unterschieden:
    [B2iA1-2i]t[A2iB2(1-i)]oO4.
Die Art der Besetzung/der Inversionsgrad hängt ab von:
  1. Ionenradius
  2. Ladung
  3. LFSE (Octahedral site preference energy)
  4. Temperatur und Druck
  5. Polarisationseffekten
  6. Ordnungs-Unordnungs-Phänomen
Die Madelungkonstante der Spinelle wird vom u-Parameter leicht beeinflusst: Dieser Parameter ist nichts weiter als das x der x,x,x-Lage der Oxid-Ionen. Er ist ein gutes Mass für die Verzerrung der Oxid-Packung in Spinellen und bestimmt direkt die relative Grösse der beiden KKPs. Bei unverzerrten Spinellen hat er den Wert 3/8 (0.375). Im Muttertyp, MgAl2O4, hat u den Wert 0.387; die [MgO4]-Tetraeder haben damit etwas grössere Kantenlängen als die [AlO6]-Oktaeder.

Als Faustregel läßt sich feststellen, dass die meisten Spinelle zur Gruppe der (2,3)-Normalspinelle gehören. Sie zeigen eine größere Madelungkonstante, es kommt zu einer besseren Abschirmung der hochgeladenen Ionen. (4,2)-Spinelle mit einem u-Parameter größer 0.380 sind fast ausnahmslos Inversspinelle. Voraussagen über die Kationenverteilung sind im Einzelfall oft nicht trivial.

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Zusammenfassung

Für die ternären Oxide AB2O4 gelingt die Separation nach Strukturtypen nahezu vollständig bei Betrachtung allein der geometrischen Verhältnisse, hier (da gleiches Anion) der Ionenradien der beiden Kationensorten. In Einzelfällen (z.B. Elementverteilung bei den Spinellen) sind Ligandenfeld-Einflüsse mit entscheidend.

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