Vorlesung Anorganische Strukturchemie
2.2. Elementstrukturen der Nichtmetalle
2.2.5. Elemente der IV. Hauptgruppe (Tetrele)
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Nach der 8-N-Regel sind die Elemente der IV. Hauptgruppe 4-bindig. Aufgrund der
VSEPR-Regeln bzw. der Hybridisierung bilden sich Raumnetze (Diamant-Struktur).
Nur wenn, wie beim Kohlenstoff, zusätzlich Doppelbindungen ausgebildet werden können,
sind auch niederdimensionalere Bauverbände (Schichten wie im Graphit, Ketten wie in den Nanoröhrchen oder Moleküle
wie in den Fullerenen) als Strukturelemente möglich.
Kohlenstoff
Kohlenstoff bildet verschiedene Modifikationen. Graphit ist dabei, wie das Phasendiagramm in Abbildung 2.2.5.1. zeigt,
die bei Normalbedingungen stabile Form, Diamant ist die Hochdruckform (zur Synthese s.
Kap. 2.6. der
Festkörperchemie-Vorlesung).
Alle anderen Modifikationen sind metastabil.
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Abb. 2.2.5.1. p-T-Diagramm von Kohlenstoff
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- Bei sp3-Hybridisierung (CN 4, Tetraeder) folgen Raumnetze (Diamant-Strukturen), die sich durch die
unterschiedliche Stapelfolge gewellter Sechsringnetze (Sesselkonformation) beschreiben lassen.
Je nach Stapelfolge unterscheidet man:
- Im kubischen oder normaler Diamant (A4-Typ)
sind die Netze nach |:ABC:| gestapelt. Auch zwischen den Schichten entstehen
ausschließlich Sechsringe mit Sesselkonformation. Die Zinkblende (ZnS) ist
eine Ordnungsvariante des Diamanten, in der die C-Atompositionen alternierend
von Zn und S eingenommen werden. Die Zinkblende (und damit auch der Diamant)
können auch über eine kubisch dichteste Kugelpackung einer Atomsorte
(üblicherweise wegen der Ionenradien der Sulfid-Ionen) beschrieben werden, in der
die Hälfte der Tetraederlücken von Zink-Ionen besetzt ist.
- Der hexagonale Diamant (sog. Lonsdaleit) entspricht analog der
Wurtzit-Modifikation von ZnS: Die Sulfid-Ionen bilden eine hexagonal dichte Kugelpackung,
in der wieder die Hälfte der Tetraederlücken von den Zn-Kationen besetzt ist.
In der rein kovalenten Strukturbeschreibung folgen die gewellten Sechsecknetze
mit der Stapelfolge |:AB:| aufeinander. Zwischen den Schichten werden damit
Sechsecke in Wannenform ausgebildet und die Struktur enthält senkrecht zu den
Basisschichten relativ große Kanäle.
- Im Prinzip sind unendlich viele weitere Stapelvarianten möglich. Diese
werden z.B. als sogenannte Polytype bei den SiC-Modifikationen auch wirklich beobachtet.
Hier dazu ein Beispiel, der sog. Moissanit.
Diamant |
kubisch |
hexagonal |
. |
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VRMLs |
Diamantstruktur (s.a. ST-DB) |
hexagonaler Diamant
und hier mit anderem Ursprung
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ZnS |
Zinkblende |
Wurtzit |
Sechsringe |
alle in Sessel-Konformation |
in der Schicht Sessel-, dazwischen Wannen-Konformation |
Stapelfolge |
|:ABC:| |
|:AB:| |
Zahl/Größe der Lücken |
1 pro 1 C-Atom -> klein |
1 pro 2 C-Atome -> groß |
gestopfe Varianten |
NaTl |
CaGa2 |
direkter Vergleich |
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Abb. 2.2.5.2. Kubischer und hexagonaler Diamant
Wie man die beiden Grundformen von Diamant ableiten und zeichnen kann, zeigt das folgende Video:
Video zur Zeichnen und Erklärung der beiden Diamantstrukturen
(59MB|MP4|H264) |
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Durch sp2-Hybridisierung (CN 3, trigonal planare Koordination) können weitere Modifikationen
erklärt werden:
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Abb. 2.2.5.3. winzige Kristalle
von natürlichem Graphit (links) und ein Graphit-Tiegel (rechts).
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- Im Graphit (Fotos s. Abb. 2.2.5.3.) liegen ebene Sechsecke aus trigonal planar koordinierten C-Atomen vor.
Es gibt auch hier unterschiedliche Stapelfolgen, ABAB
(hexagonaler Graphit) oder ABC (rhomboedrischer Graphit)
und daneben viele Polytype. Die metallischen Eigenschaften von elementarem Graphit
resultieren aus der Berührung des Valenz- und Leitungsbandes am K-Punkt der
Brillouin-Zone, s. Abb. 2.2.5.4. sowie Exkurs-I Bandstrukturen.
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Abb. 2.2.5.4. Banstruktur von Graphit (pz-Fatband-Plot)
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- Das bekannteste Molekül aus der Reihe der Fullerene ist C60, der Fußball.
Abb. 2.2.5.5. Graphit und C60: Modifikationen mit sp2
hybridisiertem Kohlenstoff
- Auch die sogenannten Nanoröhrchen (Neudeutsch: Carbon-Nanotubes)
bestehen aus Kohlenstoff in trigonal-planarer Koordination. Sie können quasi als aufgerollter Graphit
angesehen werden.
Hier einige Links hierzu:
- Die seit einigen Jahren aktuelle polymorphe Form von Kohlenstoff ist Graphen, einzelne Schichten von Graphit.
Silicium, Germanium, graues Zinn
Silicium, Germanium und das graue Zinn kristallisieren ebenfalls in der kubischen Diamant-Struktur
(A4-Typ). Die Bandstruktur ist für alle Verbindungen vergleichbar und selbstverständlich
wegen der Bedeutung von Silicium (und Germanium) in der Halbleitertechnik auch im Detail wichtig.
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Abb. 2.2.5.6. Bandstruktur von α-Sn
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Die Bandlücke nimmt im Periodensystem von oben nach unten ab (s. Tab. 2.2.5.1), die reinen
Tetrele haben sogenannte indirekte Bandlücken, d.h. die Valenzbandoberkante ist nicht
am gleichen Punkt im k-Raum wie die Leitungsbandunterkante. Dadurch lassen sich elektronisch
keine optischen Übergänge auslösen (Impulserhaltung Photon -- Elektron, Anwendung von Silicium in
Solarzellen, jedoch nicht in LEDs). Die Abbildung 2.2.5.6. zeigt die Bandstruktur von grauem
Zinn entlang ausgezeichneter Pfade im k-Raum. Man sieht am Bandverlauf, dass es sich bei
dem unteren Valenzband um ein s-artiges, bei den oberen drei Bändern um p-artige
Zustände handelt. Insgesamt liegen vier Bänder unter dem Ferminiveau, die
(primitive!) Elementarzelle enthält zwei Atome und vier Einfachbindungen.
Bei Silicium und Germanium hat das Valenzband bei Δ sein Minimum, dadurch
entsteht eine indirekte Bandlücke.
Unter Druck bilden die drei Elemente diverse metallische Modifikationen. Die
metallische Form des elementaren Zinns, die bereits oberhalb von 13oC thermodynamisch stabil ist,
wird bei den besonderen Metall-Strukturen in Kapitel 3.2. behandelt.
Zusammenfassung
Abschließend zu den Elementstrukturen wieder der Vergleich der Abstände unter der
(für die Halbleiter) extrem wichtigen Bandlücken.
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dX-X |
Bandlücke |
[pm] |
[eV] (bei O K) |
CDiamant |
154.5 |
5.4 (i) |
CGraphit |
141.8/335 |
0 |
C60 |
139/145 |
|
Si |
235.2 |
1.17 (i) |
Ge |
245 |
0.744 (i) |
α-Sn |
280 |
0 (d) |
Tab. 2.2.5.1. Atomabstände und -winkel in den
verschiedenen Modifikationen der Tetrel-Elemente
Wieder ergeben sich die allgemeinen Tendenzen:
- Der metallische Charakter nimmt im Periodensystem nach unten hin zu.
- Entsprechend nehmen die Bandlücken ab.
- Entscheidend für die Anwendung der Elemente und verwandter
Verbindungen als Halbleiter sind die Unterschiede in der Größe und im Typ der Bandlücke:
- Silicium hat eine indirekte Bandlücke von 1.17 eV.
Die elektronische Anregung vom Valenz- in das Leitungsband
ist damit nur bei Änderung des Impulses (k-Vektors) möglich.
Die Verwendung
indirekter Halbleiter für Leuchtdioden ist damit unmöglich.
- Germanium hat ebenfalls eine indirekte Bandlücke (0.744 eV),
das Leitungsband ist aber ein anderes als im Fall von Silicium.
... und weiter mit den letzten Nichtmetall, dem Bor (Kap. 2.2.6.) ...