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Vorlesung Anorganische Strukturchemie

3. Strukturchemie von Metallen und Legierungen

3.1. Bindung, Konzepte, Radien


Das Prinzip der Bindung in Metallen und Legierugen ist die Überlappung der elektronischen Zuständen zu breiten Bändern, wobei es zu einer Überlappung möglichst vieler Zustände kommt. Energiegewinn ist dann wie bei den Molekülen die Absenkung der Elektronenenergien. Die Folge dieses Bindungskonzeptes sind, dass

Wechselwirkungen auftreten. Die strukturchemischen Folgen sind hohe Koordinationszahlen von 8 bis 24 (Motto: gleiche Bindungspartner, möglichst viele möglichst nahe Nachbarn). Die Überlappung der elektronischen Zustände der Einzelatome wird in der breiten Zustandsdichte (Density of States, DOS) deutlich. Die Darstellung der DOS entspricht etwa dem MO-Schema bei kovalenten Verbindungen. Hauptprinzip für die Strukturchemie sind maximale Packungsdichte, sofern echte Metalle mit kleiner Elektronegativität vorliegen. Die Valenzelektronenkonzentration (VEC: Zahl der Valenzelektronen pro Atom) ist für die Besetzung der Zustände und damit häufig auch für den auftretenden Strukturtyp wichtig. Zur chemischen Bindung in Metallen und Legierungen, inklusive einem Vergleich mit dem kovalenten LCAO-Ansatz, gibt es wieder ein PDF: Bandstrukturen II: NFE/Tight-Binding/PW-Konzept.
Für die Verbindungsbildung sind (nicht nur im Fall der Metalle) im wesentlichen drei Größen wichtig:
  1. Die Valenzelektronenkonzentration (kurz VEC) ist die Zahl der Elektronen/Atom. Diese Größe ist z.B. das entscheidende Kriterium für die Frage der möglichen Verbindungen Die VEC ist auch bei intermetallischen Phasen oft sehr wichtig. Das Problem bei der Betrachtung der VEC ist die Zahl der Valenzelektronen, die zwar für viele Metalle (z.B. Na=1, Mg=2, Al=3) unmittelbar klar ist, die bei vielen anderen Metallen aber auch vom Bindungspartner abhängen kann. Besonders heikel sind die 3d-Metalle, bei denen die Beteiligung der d-Orbitale in den Metallen und Legierungen sehr stark schwankt.
  2. Radien (metallische Radien!) sind ein sehr kompliziertes Problem. Sie hängen nicht nur von der Valenz, sondern auch von der Koordinationszahl ab.
  3. Die Elektronegativität. Diese sollte bei Metallen und Legierungen klein sein, ansonsten gibt es Übergänge zu anderen Bindungsarten (s. z.B. die Zintl-Phasen).
Die Tabelle 3.1.1. enthält die Werte für die Elektronegativitäten nach Pauling und die metallische Radien für die Koordinationszahl (CN) 12 für die angegebenen Valenzen (nach Teatum, Gschneidner, Waber).

Li Be
EN 1.0 1.5
rMetall 156 113
Valenz 1 2
Na Mg AlSi
EN 0.9 1.2 1.5 1.8
rMetall 191 160 143 132
Valenz 1 2 3 4
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se
EN 0.81.0 1.3 1.5 1.6 1.6 1.5 1.8 1.8 1.8 1.9 1.6 1.61.8 2.0 2.4
rMetall 238197 164 146 135 128 126 127 125 125 128 139 141137 139 140
Valenz 1 2 3 4 5 6 6 6 6 6 1 2 3 4 5 6
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te
EN 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 1.9 2.2 2.2 2.2 1.9 1.7 1.7 1.8 1.9 2.1
rMetall 255 215 180 160 147 140 136 134 135 138 145 157 166 155 159 160
Valenz 1 2 3 4 5 6 6 6 6 6 1 2 3 4 5 6
Cs Ba La Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po
EN 0.7 0.9 1.1 1.3 1.5 1.7 1.9 2.2 2.2 2.2 2.4 1.9 1.8 1.8 1.9 2.0
rMetall 273 224 188 158 147 141 138 135 136 139 144 157 172 175 170 176
Valenz 1 2 3 4 5 6 6 6 6 6 1 2 3 4 5 6

Tab. 3.1.1. Elektronegativitäten, Radien und Valenzelektronenzahlen von Metallen

Gemäß der allgemeinen Tendenzen innerhalb der Periodensystems nimmt die Elektronegativität von oben nach unten leicht ab, nach rechts nimmt sie zu. Die metallischen Radien nehmen nach unten zu und durchlaufen von links nach rechts ein Minimum in der Co- und Ni-Gruppe.

Entsprechend dieser Größen lassen sich die Metalle und damit dann die Gruppen intermetallischer Phasen abgrenzen.

Obwohl eine klare Trennung verschiedener Gruppen intermetallischer Phasen nicht einfach möglich ist, lassen sich doch eine Reihe von Verbindungstypen abgrenzen, wenn man die Kombinationen bestimmter Gruppen von Metallen betrachtet:
Die Metalle der A-Gruppen werden als echte Metalle bezeichnet. Zu diesen Gruppen gehören alle Metalle im Periodensystem (von links) bis zur Cu-Gruppe. Die B-Elemente sind Metalle/Halbleiter mit zunehmend kovalenten Bindungsanteilen, die z.T. mit besonderen Strukturen und in weniger dichten Packungen kristallisieren. Diese beiden Gruppen lassen sich nochmals weiter unterteilen:

Zusammenfassend ist die Verteilung der Gruppen im Periodensystem in Tabelle 3.1.2. dargestellt.

H He
Li Be B C N O F Ne
Na Mg Al Si P S Cl Ar
K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr
Rb Sr Y Zr Nb Mo Tc Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe
Cs Ba La Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Po At Rn

Tab. 3.1.2. Gruppen metallischer Elemente

Entsprechend dieser Einteilung der Metalle lassen sich die binären intermetallischen Phasen als Kombinationen der Gruppen befriedigend klassifizieren (die angegebenen Beispielsysteme sind durch die Phasendiagramme (als Bilder) belegt):

Im der Tabelle 3.1.2. sind die Gruppen binärer intermetallischer Phasen nochmals zusammengefaßt.

A1 A2 B1 B2
A1 Δr klein: vollständige Löslichkeit bei gleicher Valenzelektronenzahl; Δr groß: Laves-Phasen u.ä. oder keine Verbindungsbildung stöchiometrisch scharfe Verbindungen, unterschiedliche Strukturen, Laves-Phasen stöchiometrisch scharfe Verbindungen, Laves-Phasen, viele besondere Strukturen, CsCl- und NaTl-Typ, Clusterverbindungen, Übergänge zu Zintl-Phasen Zintl-Phasen (vgl. Polyanionische Verbindungen)
A2 da Δr klein: feste Lösungen, große Phasenbreiten, Überstrukturen und Ordnungsvarianten Hume-Rothery-Phasen (Elektronen-Verbindungen) NiAs-Varianten (CdI2 -> NiAs -> Ni2Ge (z.T. mit Phasenbreiten)); MoS2, Pyrit
B1 Elemente derselben Gruppe: feste Lösungen; Elemente unterschiedlicher Gruppen meist stöchiometrisch scharfe Verbindungen
B2 mit stark kovalenten Bindungsanteilen
Tab. 3.1.2. Intermetallische Systeme nach Kombination der Elementgruppen.

Diese Tabelle (Dreieck!) steht selbstverständlich direkt mit dem Ketelaar-Dreieck der Arten chemischer Bindung in Bezug.

Bevor die binären Systeme im einzelnen besprochen werden, wird eine kurze Wiederholung zu Strukturen (und Eigenschaften) der reinen metallischen Elemente gegeben.

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