Vorlesung Chemie der Metalle
5.Tetrele (4. Hauptgruppe, Kohlenstoff-Gruppe: Si, Ge, Sn, Pb)
5.4. Chalkogenide
Die folgenden Tabellen geben Übersichten über die Di- und Mono-Chalkogenide der Elemente der
14. Gruppe (IV. Hauptgruppe). In Klammern sind jeweils die Koordinationszahlen des Tetrels angegeben:
Dichalkogenide
MX2 |
O |
S |
Se |
Te |
Si |
Raumnetze (4, s.u.) |
SiS2 (CN 4, Fasern) |
? |
Ge |
Raumnetze (CN 4) oder Rutil (CN 6) |
Schichten |
? |
Sn |
Rutil (CN 6) |
CdI2 (CN 6) |
? |
Pb |
Rutil (CN 6) + ? |
|
|
|
Tab. 5.4.1. Dichalkogenide der Tetrele
Allgemeine Anmerkungen: Die Telluride ATe2 sind unbekannt,
es gibt aber andere kompliziert zusammengesetzte Chalkogenide (für weitere Details siehe
z.B. Kap. 5.3.
der Vorlesung Intermetallische Phasen).
Bei den schwereren Elementen überwiegen typische Salzstrukturen wie z.B.
SnS2-, CdI2, oder Rutil-Typ (z.B. SnO2, PbO2).
In SiS2 finden sich Ketten kantenverknüpfter Tetraeder.
Von allen Elementen gibt es außer den Di- noch die Monochalkogenide.
Auch hier ergeben sich die typische Änderungen der Koordinationszaheln
(vgl. z.B. die Salze AX).
Wegen der Lone-Pair-Kationen treten allerdings auch besondere Strukturen auf.
Monochalkogenide
Die 1:1-Verbindungen mit den Chalkogenen sind isoelektronisch zu den Elementen
der V. Hauptgruppe, woraus sich unmittelbar die Strukturchemie der kovalenteren
Phasen ergibt (vgl. auch Kap.2.3.3. der
Vorlesung Anorganische Strukturchemie).
MX |
O |
S |
Se |
Te |
Si |
Glas, inst. Molekül |
Pschwarz (CN 3) |
Asgrau (CN 3) |
Ge |
Sn |
PbO (CN 4) |
NaCl (CN 6) |
Pb |
NaCl (CN 6) |
Tab. 5.4.2. Monochalkogenide der Tetrele
Die wichtigsten Chalkogenide der einzelnen Elemente:
- Silicium s.
Strukturchemie der Oxide
und die Oxosilicate
Silicatchemie beschrieben.
- Germanium
- GeO2 ist dimorph und bildet sowohl den Rutil- als auch die ß-Quarz-Modifikation.
Ge[6]O2 (Rutil)
-- 1033oC ⟶ Ge[IV]O2 (Quarz)
Im Vergleich zum SiO2 ist hier also der Rutil-Typ nicht die Hochdruck-, sondern
die Niedertemperaturphase.
- Die Monochalkogenide GeO, GeS, GeSe und GeTe sind alle bekannt.
Es handelt sich um Isostere zu den Elementen der V. Hauptgruppe:
Das Sulfid und das Selenid bilden
gewellte Netze, die
alternierend aus Germanium und dem Chalkogenen bestehen und
denen im schwarzen Phosphor entsprechend.
In GeTe liegen entsprechend gewellte Netze wie im
grauen Arsen vor.
Neben den einfachen Oxiden gibt es eine große Zahl komplexer Oxo-Verbindungen,
die sich von GeO oder GeO2 durch formale Addition eines einfachen
Metalloxids ableiten (sog. Oxo-Germanate).
Die meisten dieser Verbindungen sind verwandt mit den entsprechenden Silicaten, einige
Verbindungen des GeII entsprechen den entsprechenden Stannaten(II).
- Zinn
- SnIV-Verbindungen (Dichalkogenide)
- SnO2 (Kassiterit) hat Rutil-Struktur
und ist ein wichtigstes Zinn-Mineral. Es ist löslich in konzentrierter
Salzesäure:
SnO2 + 4 HCl ⟶ SnCl4 + 2 H2O
Zusammen mit Alkali- und Erdalkalimetalloxiden gibt es eine
große Zahl komplexer Sn[IV]-Verbindungen (Oxostannate(IV), wie z.B.
Rb4SnO4, s. Acta C).
- Das ebenfalls aus der Analytik bekannte Disulfid SnS2 wird wegen
seiner Farbe als Goldersatz z.B. für Bilderrahmen verwendet.
- SnII-Verbindungen (Monochalkogenide)
- Graues SnO bildet wie oben beschrieben
eine Überstruktur (Ordnungsvariante) des schwarzen Phosphros.
Zur Darstellung kann SnCl2 in einer Sodaschmelze umgesetzt werden:
Na2CO3 + SnCl2 ⟶ 2 NaCl + CO2 + SnO
Wie oben für das Dioxid beschrieben, so leiten sich auch vom Monoxid durch
formale Addition von Metalloxiden Oxostannate(II) (früher: 'Stannite') wie z.B.
K4SnO3 ab, in dem ψ-Tetraeder SnO34-
die stereochemische Aktivität des Lone-Pairs am Sn(II) verdeutlichen.
Auch hydratisierte Verbindungen (d.h. Hydroxo-Stannate und -Stannite)
wie z.b. Na2[Sn(OH)4] sind bekannt.
Sn(II)-Verbindungen sind starke Reduktionsmittel, die z.B.
Cu(II) zu elementarem Kupfer reduzieren können:
Cu[II]SO4 + Na2[Sn(OH)4]
+ 2 H2O ⟶ Cu[0] + H2SO4 + Na2[Sn(OH)6]
Sn(OH)2 ist amphoter:
Fällung: SnCl2 + 2 NaOH ⟶ Sn(OH)2 + 2 NaCl
Auflösung: Sn(OH)2 + 2 NaOH ⟶ Na2[Sn(OH)4]
- SnS hat die Struktur des schwarzen Phosphors (CN=3) und ist aus der
Analytik bekannt, wo es beim Einleiten von H2S entsteht:
SnCl2 + H2S ⟶ SnS + 2 HCl
- SnSe ist isotyp zu SnS (CN=3), beim SnTe findet man dagegen
NaCl-Struktur.
- Neben den reinen Sn(II)- und Sn(IV)-Verbindungen gibt es eine Reihe gemischtvalenter
Oxostannate (s. auch bei Blei unten).
- Blei bildet zahlreiche Oxide, angefangen
vom PbIIO über gemischtvalente Oxide bis hin zu PbIVO2.
Alle sind bei thermischer Behandlung von PbO2 zu beobachten, bei der
eine stufenweise Reduktion von PbIV zu PbII eintritt:
PbO2 --293oC ⟶ Pb12O19 --351oC⟶
Pb12O17 --374oC⟶
Pb3O4 --605oC⟶ PbO
Die wichtigsten Einzelverbindungen dieser Reihe sind:
Die Pb-Oxide sind technisch für die Funktion des Pb-Akkus von großer Bedeutung:
Pb + PbO2 + 2 H2SO4 ⟶ Entladung ⟶ 2 PbSO4 + H2O
Einige komplexe Pb-Oxide, die eine verzerrte Perowskit-Struktur ausbilden
(wie z.B. PbTiO3 oder PbZrO3)
sind wichtige ferroelektrische Materialien.
Das Mono-Sulfid von Blei ist aus der Analytik (Fällung von PbS)
Pb(NO3) + H2S ⟶ PbS + 2 HNO3
gut bekannt.