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Vorlesung Anorganische Strukturchemie

4. Strukturchemie von Ionenkristallen

4.3. Strukturchemie II (Lückenbesetzung in Anionenpackungen)


Ein zweiter Ansatz zum Verständnis und zur Darstellung von Strukturen ionischer Verbindungen basiert auf der Besetzung von Lücken (durch Kationen) in dichtesten Packungen der Anionen, so dass an dieser Stelle zunächst die Zahl, Größe und Verknüpfung dieser Lücken betrachtet werden sollen. Die beiden wichtigsten Arten dichtester Kugelpackungen, die beide auf Basis dicht gepackter hexagonaler Kugelpackungen in der Ebene, mit der Stapelfolge |:AB:| (h.c.p.) bzw. |:ABC:| (f.c.c.) beschrieben werden können (s. Kap. 3.2.), enthalten beide für N Atome insgesamt N Oktaederlücken und 2*N Tetraederlücken:

Die Art der Lücken und ihre Position zwischen zwei dicht gepackten Schichten A und B ist der Abbildung 4.3.1. zu entnehmen:

Abb. 4.3.1. Tetraeder- (links) und Oktaederlücke (rechts) zwischen dichtgepackten Schichten A und B SVG
Der freie Radius beträgt für die Tetraederlücke 0.225, für die Oktaederlücke 0.414 mal dem Radius der Kugeln, die die hexagonal dichten Schichten A und B bilden.

Die Positionen der Lücken sind in der Abbildung 4.3.2. eingezeichent:

Abb. 4.3.2. Positionen der Lücken in der hexagonalen (links) bzw. kubisch (rechts) dichtesten Kugelpackung SVG

Jede der Kugelpackungen besitzt N Oktaeder- und 2N-Tetraederlücken auf N Kugeln, wie man leicht aus der Abbildung 4.3.2. ausrechnen kann). Da keine weiteren Lücken vorhanden sind, parkettieren 2N Tetraeder und N Oktaeder den Raum (z.B. zwischen zwei Schichten AB), wie die Bilderserie zu Lücken in dichten Packungen (zwischen 2 dichtesten Schichten A und B) zeigt:

Für die Verknüpfung der Polyeder in Ionenkristallen ist die 3. Paulingsche-Regel wichtig, die eine Aussage über die günstige Anordnung der Oktaeder- und Tetraederlücken zueinander macht:

Gemeinsame Kanten und besonders Flächen destabilisieren eine Struktur. Dies gilt speziell für hochgeladene Kationen mit kleinen Koordinationszahlen.

Es ist daher zunächst festzustellen, wie die Verknüpfung der Lücken konkret in den beiden dichtesten Kugelpackungen aussieht.

Verknüpfung der Oktaederlücken untereinander
h.c.p. Jede Oktaederlücke ist flächen- verknüpft mit 2 Oktaederlücken (zwischen den Schichten)
kanten- 6 (in der Schicht)
f.c.c. flächen- 0 -
kanten- 12 (6 in der Schicht+3o+3u)
Verknüpfung der Tetraederlücken untereinander
h.c.p. Jede Tetraederlücke ist flächen- verknüpft mit 1 Tetraederlücken (zwischen den Schichten)
kanten- 3 (in der Schicht)
f.c.c. flächen- 0 -
kanten- 6 (3 in der Schicht+3o+3u)

Tab. 4.3.1. Verknüpfung von Oktaedern und Tetraedern in dichten Packungen

Hiermit und mit 3. Pauling-Regel werden die folgende Beobachtungen zur Strukturchemie ionischer Verbindungen (speziell der Oxide) verständlich:

Viele Kristallstrukturen von salzartigen Verbindungen lassen sich nun als dichte Packungen der Anionen beschreiben, in denen die Lücken (Tetraeder- und/oder Oktaederlücken) mit Kationen besetzt sind.
Die Übersicht beginnt jeweils mit der Polyederdarstellung, in der alle Lücken besetzt sind. Nach unten zu sind dann immer weniger Lücken besetzt.


Noch einige Hinweise zu den Abbildungen:

Besetzung oktaedrischer Lücken

Sehr viele einfache und häufige Strukturtypen von Ionenkristallen enthalten dichteste Kugelpackungen der Anionen, in denen die Kationen oktaedrische Lücken besetzen.

Auf der Vorlage 4.3. sind noch weitere Abbildungen zur Schichtbesetzung enthalten.

X hexagonal dicht für beide Basispackungen X kubisch dicht
Anteil besetzter Lücken Formel CN(X)
SVG
VRML
1
MX 6
VRML
SVG
NiAs-Typ NaCl-Typ
SVG
VRML
2/3
M2X3 4 -
Korund-Typ (Al2O3) -
SVG
VRML
1/2: 1 und 0 MX2 3
VRML
SVG
CdI2-Typ CdCl2-Typ
.
VRML
1/2
-
CaCl2-Typ (sehr ähnlich dem Rutil-Typ) -
.
VRML
1/2
VRML
.
PbO2 TiO2 (Anatas)
.
VRML
1/2
-
α-AlOOH (Diaspor) γ-AlOOH (Böhmit, nicht ideal)
NFe2 1/2: 1/3 und 2/3 -
.
VRML
1/3
MX3 2 .
ZrI3-Typ (Ketten) .
RhF3-Typ (Raumnetz) -
BiI3-Typ (Schichten) 1/3: 2/3 und 0 YCl3
α-NbI4 1/4 MX4 2 u. 1 NbF4
α-Nb2I10 (molekular) 1/5 MX5 2 u. 1 U2Cl10 (molekular)
- UF5 (Kette)
α-WCl6 1/6 MX6 1 -

Besetzung tetraedrischer Lücken

Auf der Vorlage 4.4. sind noch weitere Abbildungen zur Schichtbesetzung enthalten.

X hexagonal dicht für beide Basispackungen X kubisch dicht
Anteil besetzter Lücken Formel CN(X)
VRML
1 M2X 4:8
VRML
SVG
! unbekannt bei Salzen ! Li2O (anti-CaF2-Typ)
VRML
1/2 MX 4:4
VRML
SVG
Wurtzit-Typ (ZnS) Zinkblende-Typ (ZnS)
VRML
VRML
SVG
ß-BeO PtS-Typ (!Achtung: Antityp!)
.
VRML
SVG
. PbO-Typ (!Achtung: Antityp!)
. 1/4 MX2 4:2
VRML
SVG
ß-ZnCl2 HgI2
.
VRML
SVG
SiS2
.
VRML
SVG
Cuprit-Typ (Antityp: OCu2)
SnBr4 1/8 MX4 4/1 OsO4

Die wichtigsten Strukturtypen von Ionenkristallen sind im folgenden Kapitel als Links auf die Strukturtypendatenbank zusammengestellt...


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