Vorlesung Anorganische Strukturchemie
1. Einleitung
1.1. Übersicht, Ziele, Gliederung, Literatur
Ziele und Grenzen
Diese Vorlesung bildet gemeinsam mit der Vorlesung
Festkörperchemie das Angebot im Master Chemie.
Sie stellt eine 'stoffchemische Brücke' zwischen den Vorlesung
Chemie der Nichtmetalle (Anorganische Chemie I)
bzw. Chemie der Metalle (Anorganische Chemie II) und der
Festkörperchemie/Materialchemie her.
Die anorganische Strukturchemie kann zwar ebensogut aus Lehrbüchern wie z.B. dem
Buch von U. Müller (s.u.) erarbeitet werden, aber gerade hier bietet die in der Vorlesung genutzte zusätzliche Darstellung der Strukturen
am Rechner (z.B. als VRML auf diesen WEB-Seiten) gegenüber der reinen statischen
Abbildungen in Lehrbüchern große Vorteile.
Für die Vor- und Nachbereitung dieser Vorlesung kann aber auf jeden Fall
das Buch von U. Müller (Anorganische Strukturchemie, Springer Verlag) empfohlen werden.
Ziel dieser Vorlesung ist primär auch, das 'Auswendiglernen' von Strukturen und Strukturtypen
zu vermeiden und statt dessen
- Die Strukturchemie von den bekannten einfachen Bindungskonzepten her zu verstehen.
- Den Zusammenhang zwischen den Strukturen und
der elektronischen Struktur (Zustandsdichten, Bandstrukturen), also der chemischen Bindung, zu erkennen.
- Zusammenhänge zwischen einfachen Strukturtypen zu sehen.
- Strukturverwandtschaften (nicht mathematisch genau,
da Zeit und auch Hintergrund fehlen) zu verstehen und einzusetzen.
Die Vorlesung kann leider aus zeitlichen Gründen nicht detalliert
auf die selbstverständlich interessanten Aspekte
der Bedeutung von Strukturen für die Eigenschaften von Festkörpern eingehen.
Hierzu muß auf die Vorlesung Festkörperchemie verwiesen werden.
Sie bleibt damit leider auch ohne Bezug zu möglichen Anwendungen.
Gliederung und Inhaltsverzeichnis
Nach der Einleitung erfolgt die weitere Unterteilung nach den drei wichtigsten Bindungsarten:
- Einleitung
- Strukturchemie kovalenter Festkörper
- Strukturchemie von Metallen und Legierungen
- Strukturchemie von Ionenkristallen
In jedem Kapitel werden zunächst die Konzepte zum Verständnis der Stabilität
der jeweiligen Bindungen, die zur Erklärung der Strukturen jeweils relevanten
Konzepte und darüberhinaus (besonders im Fall der metallischen und ionischen Bindung)
die Frage der Größe der Atome/Ionen in den Strukturen behandelt.
In der Einleitung werden nach dieser Übersicht
im Kapitel 1.2.
die verschiedenen Einflußgrößen der an einer Verbindung beteiligten
Elemente (im Wesentlichen Elektronegativitätsdifferenzen und -summen)
auf die jeweils vorliegende Art der chemischen Bindung und damit der
jeweils relevanten strukturchemischen Aspekte wiederholt.
Im Abschnitt 1.3.
wird allgemein auf die Beschreibung, Benennung und Ordnung von Strukturen
(z.B. Begriffe wie Isotypie, Polytypie, Gruppe-Untergruppe-Beziehung, Ordnungsvarianten, Defektvarianten)
eingegangen.
Im ersten Abschnitt des Kapitels
zu Kovalenten Verbindungen
werden die Konzepte der kovalenten Bindung, entsprechende Radien sowie
die sehr einfache Oktettregel als strukturbestimmende Faktoren angesprochen
und damit eine direkte Anknüpfung an die Chemie der Nichtmetalle
hergestellt. Erweiterungen dieser einfachen bekannten Konzepte
sind bei den elektronenarmen Verbindungen die Wade/Mingos-Regeln
und bei den elektronenreicheren kovalenten Verbindungen
der schweren Hauptgruppenelemente
die Oktettüberschreitung durch Hypervalenz.
Stofflich wird im Kap. 2.2.
die Strukturchemie der kovalent aufgebauten Elemente und in den
folgenden Abschnitten 2.3.
bis 2.6. eine Auswahl von Strukturen einfacher
bzw. wichtiger kovalenter Verbindungen vorgestellt. Im einzelnen ergibt sich also die folgende Gliederung
von Kapitel 2:
- 2.1. Bindung, Konzepte, Radien
- 2.2. Elementstrukturen der Nichtmetalle
- 2.3. Strukturen kovalenter Verbindungen (Auswahl)
- 2.4. Polyanionische Verbindungen (Zintl-Phasen)
- 2.5. Polykationische Verbindungen
- 2.6. Cluster
Für die Strukturchemie der Metalle und Legierungen (Kap. 3)
ergibt sich analog wie oben die Anknüpfung an die Vorlesung Chemie der Metalle.
Als strukturdominierendes Konzept sind dichte Packungen zu nennen.
Wegen der hohen Koordinationszahlen sind die Strukturen meist schwerer darstellbar.
Die weitere Untergliederung erfolgt wie für kovalente Verbindungen in die einfachen Elemente
und eine Auswahl an Verbindungen (hier allgemein: Legierungen):
- 3.1. Bindung, Konzepte, Radien
- 3.2. Einfache elementare Metalle (einfache Kugelpackungen)
- 3.3. Kugelpackungen bei Verbindungen (Legierungen, intermetallische Phasen)
Die Kenntnis einfacher dichter Packungen von Kugeln ist auch für das Verständnis
der Strukturchemie der letzten Gruppe von Festkörpern, der
Ionenkristalle, sehr hilfreich.
Nach der Wiederholung der chemischen Bindung in Salzen in
Kapitel 4.1.
(Coulomb-Wechselwirkungen, Größenverhältnisse von Ionen, Einfluß von
Ligandenfeldstabilisierungs-Energien usw.)
wird die Strukturchemie einmal über die
Kondensation von Kationenkoordinationspolyedern (KKP)
mit Hilfe der Pauling-Regeln und alternativ in
Kapitel 4.3.
durch Besetzung von Lücken in Anionenpackungen diskutiert.
In Kapitel 4.4. werden die wichtigsten Strukturtypen
einfacher Salze vorgestellt. Zusammenfassend folgt also für die Gliederung von Kapitel 4:
- 4.1. Bindung, Konzepte, Radien
- 4.2. Strukturchemie durch Kondensation von KKPs (Pauling-Regeln)
- 4.3. Strukturchemie durch Lückenbesetzung in Anionenpackungen
- 4.4. Wichtige Strukturtypen binärer Salze
- 4.5. Ionenkristalle AB2X4 und ABX3
- 4.6. Gläser
Interessant sind natürlich wie immer vor allem die Übergänge
und Wechsel zwischen den Bindungsarten, auf die hier leider aus Zeitgründen nicht eingegangen werden
kann.
Hinweise zur Literatur
Eine vollständige Liste und externe Links sind
hier zusammengestellt.
Einige Bemerkungen zu empfehlenswerter bzw. der verwendeten Literatur:
- U. Müller: Anorganische Strukturchemie, Springer. (Empfehlswertes
kompaktes Lehrbuch zur Anorganischen Strukturchemie,
relativ preisgünstig, auch in der Bibliothek und als E-Book vorhanden).
- H. Krebs: Grundzüge der anorganischen Kristallchemie, Enke
(etwas veraltet, nicht mehr im Handel erhältlich)
- R. C. Evans: Einführung in die Kristallchemie, de Gruyter
(ebenfalls nicht mehr im Handel erhältlich, ähnlich Müller und Krebs).
- A. F. Wells, Structural Inorganic Chemistry, Oxford (die Bibel zum
Nachschlagen der gesamten Strukturchemie, ebenfalls nicht mehr im Handel,
aber in der Bibliothek mehrfach vorhanden).
- A. F. Wells: Models in Structural Inorganic Chemistry
- Die nicht ganz billige ICSD-Datenbank (Inorganic Crystal Structure Database)
ist derzeit aus dem Uni-Netz zugänglich,
dort finden sich kristallographische Daten aller echten anorganischen
Verbindungen (keine C-H-Bindungen).
- Eine alternative Datenbank ist der Pearson, der auf einem der Rechner
in der Chemiebibliothek installiert ist. Hier sind die Daten deutlich besser
aufbereitet, der Datenbestand ist aber relativ vergleichbar zur ICSD.
- Riedel: Moderne Anorganische Chemie, de Gruyter (auch als E-Book)
(daraus ist das Kapitel von H.-J. Meyer nur bedingt empfehlenswert, da
hier die Stoffauswahl unter dem Aspekt von besonderen Eigenschaften getroffen ist
und daher vor allem spezielle und komplexe Verbindungen betrachtet werden; eher
geeignet für die Festkörperchemie-Vorlesung).